Sara
und gab es Ki.
»Was ist das?«
»Ein verkehrtes Foto. Halt es ans Licht.«
Sie gehorchte und betrachtete es lange Zeit gebannt. Undeutlich wie in einem Traum konnte ich meine Frau in ihrer Hand sehen, die in ihrem Bikini auf dem schwimmenden Floß stand.
»Das ist Jo«, sagte ich.
»Sie ist hübsch. Ich bin froh, daß ich ihr Kästchen für meine Sachen habe.«
»Ich auch, Ki.« Ich gab ihr einen Kuß auf den Kopf.
Als Sheriff Ridgewick gegen die Tür hämmerte, hielt ich es für klug, mit erhobenen Händen aufzumachen. Er sah nervös aus. Was die Situation zu entspannen schien, war eine einfache, keineswegs berechnende Frage.
»Wo ist Alan Pangborn dieser Tage, Sheriff?«
»Drüben in New Hampshire«, sagte Ridgewick und ließ die Pistole ein wenig sinken (eine oder zwei Minuten später steckte er sie ins Holster, ohne daß er es richtig mitzubekommen schien). »Ihm und Polly geht es richtig gut. Abgesehen von ihrer Arthritis. Das ist unangenehm, denke ich, aber sie hat noch ihre guten Tage. Man kann es noch eine ganze Weile gut aushalten, wenn man ab und zu einen guten Tag hat, das ist meine Meinung. Mr. Noonan, ich habe eine Menge Fragen an Sie. Das ist Ihnen klar, nicht wahr?«
»Ja.«
»Als erste und wichtigste, haben Sie das Kind? Kyra Devore?«
»Ja.«
»Wo ist sie?«
»Ich zeige sie Ihnen gern.«
Wir gingen durch den Flur zum Nordflügel, blieben vor der Schlafzimmertür stehen und sahen hinein. Sie hatte die Decke bis zum Kinn hochgezogen und schlief fest. Den Plüschhund hielt sie in einer Hand - wir konnten gerade noch den schmutzigen Schwanz an einem Ende ihrer Faust und die Schnauze am anderen herausragen sehen. Wir standen lange da, keiner von uns sagte ein Wort, und betrachteten das schlafende Kind im Licht eines Sommerabends. Im Wald fielen keine Bäume mehr um, aber der Wind blies noch. Um die Dachrinnen von Sara Lacht herum machte er ein Geräusch wie Musik aus alten Zeiten.
EPILOG
Es schneite an Weihnachten - nette zwölf Zentimeter Pulverschnee, in dem die Weihnachtssinger, die durch die Straßen von Sanford zogen, aussahen, als stammten sie aus dem Film Ist das Leben nicht wunderbar . Als ich zum drittenmal nach Kyra gesehen hatte und zurückkam, war es Viertel nach eins am frühen Morgen des sechsundzwanzigsten, und es hatte aufgehört zu schneien. Der dicke, aber blasse Mond spähte durch die in Auflösung begriffene Wolkendecke.
Ich verbrachte Weihnachten wieder bei Frank, und wir waren die letzten beiden, die noch auf waren. Die Kinder, Ki eingeschlossen, waren völlig erschöpft und schliefen nach dem alljährlichen Freudenfest mit Essen und Geschenken. Frank war bei seinem dritten Scotch - ich nehme an, es war eine geradezu klassische Drei-Scotch-Geschichte -, aber ich hatte meinen ersten kaum angetrunken. Ich glaube, wenn Ki nicht gewesen wäre, hätte ich häufiger zur Flasche gegriffen. An Tagen, wenn ich sie habe, trinke ich für gewöhnlich nicht einmal ein Glas Bier. Und sie drei Tage nacheinander zu haben … aber, Scheiße, kemo sabe , wenn man Weihnachten nicht mit seinem Kind verbringen kann, wozu ist Weihnachten dann überhaupt da?
»Ist mit dir alles in Ordnung?« fragte Frank, als ich mich wieder gesetzt und einen kleinen Schluck aus meinem Glas getrunken hatte.
Darüber mußte ich grinsen. Nicht ist mit ihr alles in Ordnung, sondern ist mit dir alles in Ordnung. Nun, keiner hat je gesagt, daß Frank dumm ist.
»Du hättest mich sehen sollen, als das Jugendamt sie mir ein ganzes Wochenende im Oktober gegeben hat. Ich muß ein dutzendmal nach ihr gesehen haben, bevor ich ins Bett gegangen bin … und danach habe ich weiter nach ihr gesehen. Bin aufgestanden und hab’ bei ihr reingeschaut, sie atmen hören. Ich habe Freitag nacht nicht eine Sekunde geschlafen, Samstag
vielleicht drei Stunden. Also hab’ ich eigentlich gewaltige Fortschritte gemacht. Aber wenn du je etwas von dem weitersagst, was ich dir erzählt habe, Frank - wenn sie je hören, daß ich die Wanne gefüllt hatte, bevor der Generator durch den Sturm ausgefallen war -, kann ich die Chance, sie zu adoptieren, in den Wind schreiben. Wahrscheinlich müßte ich ein Formular in dreifacher Ausfertigung ausfüllen, bevor sie mich auch nur zur Abschlußfeier ihrer High School ließen.«
Ich hatte nicht vorgehabt, Frank von der Wanne zu erzählen, aber als ich angefangen hatte, sprudelte fast alles aus mir heraus. Ich nehme an, ich mußte es jemandem erzählen, wenn ich mit meinem Leben
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