Sarah Boils Bluterbe (German Edition)
zwischen Steinen und Sand. Es roch nach altem Fisch und Muscheln. Das leise Plätschern des Flusses beruhigte mich ein wenig. Alles war friedlich, nur in mir brannte die Hölle. Mein T-Shirt klebte nass an meinem Körper und der Puls ging immer noch viel zu schnell. Doch ich blieb nicht stehen.
Irgendwann erreichte ich die kleine Allee, die sich hinter der Mülheimer Brücke erschloss. Das Grün der Baumkronen bog sich über den Gehweg, wie ein großes Dach und verdeckte den Himmel. Die Dämmerung war düster hereingebrochen. Hier und da begegnete ich noch vereinzelt Fußgängern. Bis irgendwann niemand mehr zu sehen war. Ich bremste das Tempo und beugte mich nach vorne. Mit den Händen auf den Knien abgestützt, atmete ich tief durch. Ein schmerzhafter Stich, hatte mein Zwerchfell durchbohrt. Seitenstiche nahmen mir die Luft. Ich ging ganz langsam einen Bogen und kehrte über die Wiese zurück zum Wasser. Hier war der Rhein seicht. Ein kleiner Sandstrand zierte das Ufer inmitten einer lang gezogenen Bucht. Kiesel knirschten unter den Sohlen meiner Schuhe. Ein Stück weiter wucherte ein Baum, unförmig und verkrüppelt, krumm und schief ragte er seitlich über den Sand. In seinem Schatten musste jemand vor nicht allzu langer Zeit ein Lagerfeuer errichtet haben. Es war noch nicht ganz ausgebrannt. In einer Vertiefung im Sand lagen noch kleine Holzscheite und glühten vor sich hin. Ich ging in die Hocke und lehnte mich mit dem Rücken an den Stamm eines Baumes und blickte in den Abendhimmel. Am Firmament sah ich die ersten Sterne leuchten. Ich weiß nicht, wie lange ich einfach so da saß, die Zeit hatte aufgehört zu existieren. Das Klingeln meines Handys riss mich jäh in die Realität zurück. Ich wollte niemand hören und sehen. Ich wollte allein sein. Martins Name blinkte auf dem Display. Mir war nicht nach Konversation zumute, aber ich konnte ihn auch nicht einfach wegdrücken.
„Ja, Martin,“ und ich versuchte so ruhig wie möglich zu bleiben.
Er klang verwundert und enttäuscht. „Du bist nicht zuhause. Es ist schon spät. Wo steckst Du? Ist alles ok?“
„Joggen, ich bin joggen gegangen, ich komme aber bald Heim,“ mehr brachte ich nicht heraus, doch es entsprach gewissermaßen der Wahrheit. Ich hatte ihn nicht angelogen und das beruhigte mein schlechtes Gewissen. Er schien mit der Antwort zufrieden zu sein und erwähnte beiläufig, er wäre kraftlos und müde und würde dann schon mal baden gehen.
… nichts Neues Martin, tust du ja jeden Tag… passt ja heute wie Faust aufs Auge…
Ich stellte das Handy auf lautlos und ließ es in der kleinen Bundtasche an der Trainingshose verschwinden. Dann blickte ich mich um. Ich war allein. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. In meinem Kopf raste ein Tornado voller unbeantworteter Fragen, voller nicht sortierbarer Gedanken. Ich musste dringend mit jemandem reden. Ich fühlte mich so verdammt einsam und hilflos.
Doch wer konnte mich verstehen? Meine Mutter wollte ich nicht noch mehr mit meinen Ängsten belasten, sie sorgte sich schon mehr als genug. Und der Rest der Welt, würde mich für überarbeitet halten. Vielleicht war ich sogar verrückt? Und vielleicht war es meine Mutter auch? Ich hatte vielleicht so was wie Schizophrenie geerbt und befand mich gerade im Anfangsstadium. Und alles, was geschah, war einfach nur ein Produkt meiner übermäßigen Fantasie. Möglich wäre es, zumindest wahrscheinlicher, als dass Vampire mitten unter uns lebten. Das war alles so hirnrissig. Ich musste endlich herausfinden, was hier vor sich ging. Was mit mir geschah. Ich atmete noch einmal tief ein, streckte meine Arme in die Höhe, um meine Muskeln zu lockern und ließ sie dann langsam wieder sinken.
„Lionel“, sagte ich leise und zaghaft. Was immer geschehen würde, da ich nun seinen Namen rief, es war mir auf eine unbeschreiblich kalte Weise gleich. Ich wartete, sah mich suchend um. Doch es passierte überhaupt nichts. Hatte er nicht gesagt, ich könne ihn rufen? Weit und breit war niemand zu sehen. Ein wenig erleichtert und doch enttäuscht rief ich diesmal laut. Und noch einmal so laut, dass man mich bis nach München hätte hören müssen. Nichts geschah. Wie gut, dass mich hier niemand sieht....meine Güte, ich bin wirklich verrückt. Stehe in einem dunklen Waldstück und brüll mir die Seele nach einem Vampir aus dem Leib…Irgendwann holen die mich ab und zwängen mich in eine dieser weißen und sehr schicken `HAB-MICH-LIEB-JACKEN`, die auf dem
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