Sarah Dearly Bd. 5 - Verliebt, verlobt, verbissen
nicht sein Geheimnis herausfinden. Er hat im Augenblick zu viel Macht, selbst wenn er sie nur verbalen Drohungen verdankt. Wenn er dir etwas antut …«
»Das hat er aber nicht.« Ich streichelte Thierrys angespanntes Gesicht. »Gideon wird mir nichts antun.«
»Nicht, bis er bekommen hat, was er will.«
»Genau.« Ich runzelte die Stirn. Moment mal. Irgendwie fühlte ich mich jetzt nicht gerade besser.
»Ich bringe ihn um«, erklärte er finster. »Wenn er dir irgendetwas antut, wird er sich nach den Qualen des Höllenfeuers zurücksehnen.«
»Vielen Dank für dein Folterangebot. Ehrlich. Aber es ist am besten, wenn wir uns ruhig verhalten und nicht die Fassung verlieren.«
»Du wirkst ruhig und gefasst genug für uns beide.«
»Ich übe mich in Zen. Ich mache jetzt Yoga, weißt du?«
Er hob eine Braue. »Ach, wirklich?«
»Jedenfalls habe ich mir einen Yogakurs auf einer DVD besorgt. Bei all den Dramen in letzter Zeit bin ich nur noch
nicht dazu gekommen, sie anzusehen, aber ich freue mich schon darauf.«
»In drei Tagen müssen wir eine Lösung gefunden haben. Du kannst ihn nicht zeugen.«
Für Thierry war die Welt in beinahe jeder Hinsicht schwarz-weiß. Wenn er einmal ein Urteil über jemanden gefasst hatte, war es für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt, und das galt ebenso für Gideon. Für ihn war Gideon die Inkarnation des Bösen. Deshalb machte ich ihm keine Vorwürfe. Schließlich war Gideon der Anführer der Jäger. Und die machten aus unserem Leben nicht gerade ein Musical in Technicolor. Nach allem, was ich von Gideon wusste, hatte er kein Problem damit, sich die Hände schmutzig zu machen, um jemanden abzuschlachten. Er war wie Buffy, die legendäre Dämonenbesiegerin – das heißt, wenn Buffy ein großer milliardenschwerer Playboy mit entstellenden Narben vom Höllenfeuer wäre, die sie sich zugezogen hätte, als sie einen Dämon abgeschlachtet hätte. Und wenn sie dazu neigen würde, Leute umzubringen, die überhaupt nicht böse waren.
Also war er eigentlich ganz anders als Buffy.
»Ich muss wieder zurück«, sagte ich, »und so tun, als wäre alles in Ordnung …«
Ein weiterer Kuss schaffte es nur allzu leicht, meine Worte und Gedanken zu vertreiben. Thierry konnte vielleicht küssen! Doch sechshundert Jahre Übung mussten einen schließlich zum Experten machen. Ich dachte lieber nicht darüber nach, wie viele Frauen er vor mir gehabt hatte. Wir hatten beide unsere romantische Vergangenheit. Seine war eben nur etwas länger als meine. Das war alles.
Schlappe 650 Jahre.
Es fiel mir wirklich schwer, mich wieder von ihm zu trennen. Die ganze Situation nervte ziemlich. Kaum hatte ich einen Mann gefunden, nach dem ich trotz unserer vielen Differenzen ganz verrückt war und der mich ebenfalls liebte, konnten wir uns nur heimlich treffen.
»Du solltest nicht versuchen, mich noch einmal zu sehen, bis alles vorbei ist.« Ich versuchte den Kloß in meinem Hals zu ignorieren. »Ich habe Angst, dass Gideon es herausfindet.«
»Vielleicht hättest du dich auf das Blind Date einlassen sollen, das Amy für dich organisiert hat.«
Ich musterte ihn. »Gideon ist wohl nicht der Einzige, der mir hinterherspioniert?«
Er lächelte. »Wenn einer von uns jemand Neuen hätte, würde Gideon doch keinen Verdacht mehr schöpfen, oder?«
»Gutes Argument. Aber versuchst du mir beizubringen, dass du dich mit anderen Leuten treffen willst? Ich bin nämlich heute Abend in der Laune, jemanden in den Hintern zu treten. Deiner käme mir da gerade recht.«
Sein Blick bekam einen amüsierten Ausdruck. »Ich rede nur davon, dass der Schein trügt, weiter nichts. Ich glaube wirklich, dass es eine ziemlich gute Idee ist.«
»Du willst, dass ich mit jemand anderem ausgehe?«
»Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Und wo wir gerade dabei sind …« Er schwieg einen Augenblick. »Du solltest etwas Wichtiges wissen.«
Das klang verdächtig. »Was?«
»Ich habe Kontakt mit dem Roten Teufel aufgenommen.
Er ist gerade in der Stadt, und ich dachte, wir könnten seine Hilfe gebrauchen.«
Ich riss die Augen auf. »Wirklich?«
Er nickte ernst.
Der Rote Teufel war ein heldenhafter Vampir, der ungefähr eintausend Jahre gelebt hat, vielleicht ein oder zwei Jahrhunderte mehr oder weniger. Er verhinderte, dass unschuldige Vampire von Jägern abgeschlachtet wurden. Er trug eine Maske, so dass niemand wusste, wer er war, und die meisten hielten ihn tatsächlich nur für eine Legende. Legende hin oder
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