Sarum
Jungen von zehn Jahren, einen wunderschönen Zehnender. Sie brachten ihn mit dem Floß zurück in Teps Lager, wo die beiden Frauen ihn sorgfältig häuteten, das Fleisch von den Knochen lösten und das Blut in einem Lederbeutel auffingen. Es gab ein Festessen an jenem Abend, und trotzdem blieb eine Menge Fleisch übrig; sie schnitten es in Scheiben und trockneten es in der Sonne. In seichten Bodenmulden war das Meerwasser verdunstet, und Salz war zurückgeblieben, mit dem sie das Fleisch einrieben und haltbar machten. So hatten sie wochenlang Vorrat.
Es war eine gute Mahlzeit an jenem Abend. Der Duft des saftigen Bratens zog über den Fluß, und als Hwll seine Kinder herumtollen sah und seine zufriedene Frau anblickte, war er fast versucht zu bleiben. Doch in der Nacht, als er sich in der Wärme von Akuns immer noch wundervollem Leib vergrub, schwor er: »Ich finde das Hochland, und auch dort werden wir gut leben.«
Am nächsten Morgen ging Tep feierlich auf Hwll zu. Es war jetzt an der Zeit, sein Versprechen einzulösen und ihnen den Weg ins Landesinnere zu zeigen. Hwll überlegte, welche Gaunerei der gerissene Jäger wohl im Sinn hatte.
Tep kam sofort zur Sache. »Ich will deine Tochter für meinen Jungen«, forderte er. »Wenn du sie mir gibst, zeige ich dir den Weg zu den Höhen.«
Hwll überlegte. Tep hatte sein Wort gebrochen, aber es hätte schlimmer kommen können. Irgendwann mußte er das Mädchen einem Mann geben, und Teps Sohn war ein guter Jäger. »Bringe mich erst dorthin«, erwiderte er, »und wenn es so ist, wie du sagst, kann er das Mädchen haben.«
Nach einer kleinen Weile erklärte Tep sich einverstanden, und am nächsten Tag begannen die beiden Familien ihre Wanderung stromaufwärts. Tep schlug ein angenehmes Tempo an.
Es war gutes Land. Der fruchtbare Schwemmboden war von dem zurückweichenden Wasser in Jahrmillionen auf einer großen Schotterebene abgelagert worden. Auf der Wanderung übertraf Tep sich selbst im Fischfang: Forellen, schmackhafte Aale, Flußbarsche, Hechte und köstliche Äschen. Anscheinend wollte er seinen neuen Freunden unbedingt zu Gefallen sein.
Sie wanderten fünf Tage lang im Schneckentempo flußaufwärts. Am fünften Tag befanden sie sich in einem breiten, flachen Tal zwischen sanft geschwungenen Hügeln, doch das konnte kaum das Hochland sein. Deshalb war Hwll erstaunt, als Tep plötzlich sagte: »Klettere den Hügel dort hinauf, und du wirst es sehen.«
Eine kleine Erhebung lag vor ihnen an einer Flußkrümmung; sie stiegen zusammen hinauf, und oben sagte Tep: »An dieser Stelle kommen die fünf Flüsse zusammen.« Und dann sah Hwll es unmittelbar vor sich.
Es war, als wäre ein riesiges Becken von mehreren Meilen Durchmesser ausgehoben worden, um ein breit hingelagertes Gefüge aus Wald und Marschland zu bilden – im Osten, Westen und Norden von Hügeln eingefaßt. Selbst von dort, wo sie standen, konnte Hwll erkennen, daß die Hügel ziemlich hoch und steil waren. An einer Stelle nahm er einen abrupten Abbruch wahr, an einer anderen eine schwindelerregende Senke. Genau rechts vom Mittelpunkt dieser Hügel drängte sich eine einzelne bewaldete Erhebung ins Becken vor, und dahinter wurde der Zugang zu einem der Täler sichtbar, die den Kamm einschnitten. »Es sind drei Täler«, erklärte Tep, »nach Westen, Norden und Nordosten.«
Er zeigte auf die Taleingänge. »Dieser Hügel«, er deutete auf einen Hügel neben der Mitte, »bewacht den Eingang des Nordtales, des kleinsten der drei. Aus jedem Tal kommt ein Fluß, nur das westliche hat zwei Flüsse. Sie treffen sich nahe am Taleingang.«
Er machte eine weit ausholende Handbewegung. »Dort unten fließen alle vier Flüsse zusammen und bilden dann eine große Schleife.« Hwll sah die Krümmung nahe der Beckenmitte. »Der fünfte Fluß kommt von Westen her, ein Stück stromaufwärts«, sagte Tep abschließend. »Siehst du, es ist so«, er legte seine linke Hand auf den Boden mit der Handfläche nach oben, die Finger gespreizt. »Wie eine Menschenhand. Wir sind hier«, er zeigte auf sein Handgelenk. »Und das Hochland?« fragte Hwll eifrig.
»Vor dir.« Tep deutete auf die hohen Hügel. »Wenn du erst einmal auf den Hügeln im Norden bist, hast du das Hochland. Du kannst tagelang da oben laufen.«
Zwei Stunden später standen die beiden Männer oben auf der nördlichen Hügelkette, etwa fünfundvierzig Meter über der Talsohle: Das Panorama war nach allen Richtungen hin großartig, aber Hwll war begeistert
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