Sarum
hätte.
Der Winter war außergewöhnlich lang und hart gewesen, und Ulla war krank geworden. Obwohl sie erst zwanzig war, forderten die große Kälte und ihr schweres Leben ihren Tribut, und es sah so aus, als müsse sie sterben. Tep und die Kinder versorgten sie zwar auf ihre unbekümmerte Art, doch sie siechte stumm dahin, und es zeigte sich keinerlei Besserung. Nach einigen Tagen übernahm es Akun, bei Ulla in der kleinen Hütte zu sitzen, in der Tep sie allein gelassen hatte. Akun hielt das Feuer in Gang und gab Ulla von der warmen Brühe, das einzige, was sie zu sich nehmen konnte. Ihr von jeher schmächtiger Körper wurde immer schmaler.
An manchen Tagen zitterte sie unaufhörlich, und wenn Hwll nach ihrem Zustand fragte, schüttelte Akun nur den Kopf. Als mitten im Winter ein schwerer Schneesturm durchs Tal fegte und Akun nicht einmal die zwei Meilen von ihrem Lager bis zur Hütte am Fluß gehen konnte, nahm sie an, daß Ulla gestorben sei. Doch irgendwie überlebte sie. Nach dem Schneesturm ging es ganz allmählich aufwärts mit ihr. Durch diese Fürsorge für Ulla entwickelte sich eine neue, wenn auch ungewollte Freundschaft zwischen Tep und Akun. Eines Tages am Anfang des Frühjahrs erschien der krumme kleine Jäger zu ihrer Überraschung im Hügellager mit einem großen Fisch, den er ihr feierlich überreichte. »Für dich«, erklärte er, »weil du dich um Ulla gekümmert hast.« Sie nahm dieses Dankgeschenk mit freundlichem Lächeln entgegen, bot ihm, wie die Sitte es verlangte, einen Platz an dem kleinen Feuer an und gab ihm zu essen.
Einige Tage später tauchte er wieder auf, diesmal mit einem Fisch und einem Hasen. Akun wußte nicht, ob sie weitere Geschenke von ihm annehmen sollte, doch sie wollte ihn nicht beleidigen und dankte wieder mit einem Lächeln.
Danach hatte Tep mehrere scheinbar zufällige Begegnungen mit ihr, und da sie sich öfters bei Ulla aufhielt, die ihre Gesellschaft brauchte, konnte sie den fuchsgesichtigen Jäger nicht umgehen. Es ergab sich allmählich eine höfliche Vertrautheit zwischen ihnen, die ihm offenbar gefiel; er brachte ihr weiterhin von Zeit zu Zeit Fisch oder Fleisch. Als sie Hwll fragte, ob sie das annehmen sollte, zuckte er die Achseln und meinte: »Tep jagt mit mir. Es ist besser, ihn zum Freund zu haben.« Also brachte sie das Gespräch nicht mehr darauf.
Eines Morgens im Spätsommer, als Hwll mit Otter eine Wildspur verfolgte, ließ Akun das Baby im Lager bei Vata und ging ins Tal. Sie wußte, daß in den Wäldern östlich des Talzugangs die Brombeeren jetzt reif waren. Unterwegs hatte sie das Gefühl, daß ihr jemand folgte, doch obwohl sie mehrmals stehenblieb, konnte sie niemanden entdecken. Sie pflückte auf einer kleinen Lichtung und hatte bereits einen Beutel gefüllt, als sie plötzlich Tep entdeckte. Er hatte sich heimlich angeschlichen und stand jetzt neben ihr. Sie bemerkte, daß er am Morgen im Fluß gebadet hatte, denn er hatte nicht den üblichen unangenehmen Geruch. Sein karottenroter, graumelierter Haarschopf stand borstig vom Kopf ab.
Trotz ihrer Überraschung grüßte Akun ruhig wie immer, aber da war etwas in seinem Verhalten, was sie hellhörig machte. Als sie weiter an den Sträuchern entlangging, blieb er neben ihr. Er sagte kein Wort. Sie wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. Als sie dann nach hochhängenden Beeren langte, umfaßte der schlaue Kerl ihre Brust mit festem Griff. Sie erstarrte. Sie war zwar größer und schwerer als er, doch sie fürchtete seine Stärke.
Sofort wurde ihr die gefährliche Situation klar. Er dachte wohl, daß sie seine Annäherung begrüße. Sie hatte ihn angelächelt, seine Geschenke angenommen, sie hatte ihn hereingebeten, wenn er ihr Lager besuchte, und in Ullas Gegenwart hatten die beiden sich einen lockeren Umgangston angewöhnt. Offensichtlich hatte er all dies als Zeichen der Ermutigung ausgelegt, und nun hatte er den ersten eindeutigen Schritt getan. Sie mußte handeln, bevor es zu spät war.
So wandte sie sich mit unbewegtem Gesicht ab, nahm sanft, doch bestimmt sein Gelenk und zog seine Hand von ihrer Brust ab, dabei schüttelte sie ernst den Kopf. Sie hoffte, daß das genügen werde. Aber es war nicht so. Tep hatte viele Monate lang angestrengt über die schöne Frau auf dem Hügel nachgedacht, und Ullas Krankheit hatte seine rastlose Begierde noch vergrößert. Schlau und berechnend, wie er war, hatte er sich eingeredet, daß Akuns freundliche Haltung ihn ermuntern sollte, und er war
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