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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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von dem Blick nach Norden. So weit das Auge reichte, entfaltete sich ein gigantisches, leicht bewaldetes Hochplateau mit hintereinanderliegenden Hügelkämmen. Nur der Wind rauschte leise über die weite leere Fläche. Endlich! Das hatte Hwll gesucht. Selbst wenn das Meer die Klippen niederriß und das Tiefland wegschwemmte, das sie durchwandert hatten – es konnte niemals dieses riesige Plateau niederreißen. Hier war er sicher.
    Er hatte Sarum gefunden. Denn die große Hochebene war die Ebene von Salisbury, der riesige hochgelegene Landstrich, wo alle natürlichen Wege Südenglands zusammenlaufen.
    Er sah das alles mit Ehrfurcht. »Es ist wie ein Meer«, murmelte er, »das Land formt sich wie Wellen… Es ist so, wie du gesagt hast«, bemerkte er dann trocken zu Tep. Er wußte jetzt, daß der schlaue kleine Jäger ihn anfangs absichtlich getäuscht hatte, indem er behauptete, die Stelle sei schwierig zu finden. Hwll hätte sie ohne weiteres selbst gefunden, wenn er einfach flußaufwärts gegangen wäre. Kein Wunder, daß Tep sie so langsam nach Norden geführt hatte. Aber obwohl Hwll betrogen worden war, hatte er ein Versprechen gegeben, und es war nichts gewonnen, wenn er mit dem einzigen Jagdgenossen stritt, dem er seit seinem Aufbruch aus der Tundra begegnet war.
    »Wenn die Zeit da ist«, sagte er und meinte damit die Pubertät des Mädchens, »kann dein Sohn sie holen.« Damit ging er wieder ins Tal hinunter. Am folgenden Tag erforschte er die Gegend gründlich und besonders aufmerksam den Hügel, der den Zugang zum nördlichen Tal schützte. Der Hügel stieg steil an, ragte wie ein Wachtposten an der Kante des hohen Kreidegrats auf. Vom Gipfel aus hatte man einen herrlichen Blick in die Runde, und der Abhang senkte sich zum Fluß hin.
    »Ich glaube, das ist die Stelle«, sagte er zu Akun, und sie nickte. Also bauten sie miteinander an der Südwestseite des Hügels, die auf die zusammenlaufenden Flüsse ausgerichtet war, ihre Unterkunft. Sie lag in einer kleinen Senke mit dem Hügel dahinter und einem kleinen Erdwall davor zum Schutz gegen den Wind, doch gleichzeitig hatten sie einen ungestörten Ausblick. Eine Gruppe ineinander verwachsener Bäume gab zusätzlichen Schutz.
    Zu Hwlls Überraschung kehrte Tep nicht in sein Lager zurück. Im Grunde hatte der kleine Jäger sein Leben als Geächteter satt und war froh, jemanden gefunden zu haben, der nichts von seinem schlechten Leumund wußte. Am Tag, nachdem Hwll den Hügel ausgesucht hatte, kam Tep zu ihm.
    »Es ist besser, wenn ich hierbleibe und mit dir jage«, sagte er, und obwohl Hwll ihm nicht traute, hatte diese Entscheidung etwas für sich. Zwei Meilen entfernt, wo die beiden westlichen Flüsse sich trafen, stellten Tep und seine Familie ihre merkwürdige windschiefe Bleibe am Flußufer auf.
    So ließen sich die beiden Familien in Sarum nieder, jagten auf den Höhen und in den Tälern, wo es genügend Wild gab. Niemals mehr mußte Hwll Hungersnot leiden wie in der Tundra, und wenn auch der Weg nach Süden abgeschnitten war, hatte er doch sein warmes Land gefunden.
    Auf diese Weise begann eine neue Jägergemeinschaft dort, wo die Flüsse sich trafen. Sie waren jedoch nicht ganz allein. Sieben Meilen östlich hatten zwei Familien ein ähnliches Lager auf einem bewaldeten Abhang über einem Bach; und an einer Marsch zehn Meilen westlich am Fluß entlang, wo Tep seine Hütten aufstellte, hatte sich eine freundliche Gemeinde von drei Familien niedergelassen – in Moorhütten, die zum Schutz auf hohen Pfählen im Wasser standen. Nach Norden jedoch war das Plateau leer, soweit Hwll das feststellen konnte.
    Im Britannien jener Zeit galt das immerhin als dicht bevölkert, denn auf der gesamten Insel lebten wahrscheinlich weniger als 5000 Seelen. Sarum erwies sich als eine Gegend voller Wunder. Es gab genügend Nahrung für beide Familien in den benachbarten Tälern das ganze Jahr über, ohne daß sie ihre Lager wechseln mußten. Da waren Rehe, Wildpferde, Elche, manchmal Wisente und Rentiere auf dem kühleren Plateau. Ein- oder zweimal tauchte sogar ein tolpatschiger Braunbär auf. Die in den Wäldern lebenden Wölfe mieden die Menschen im allgemeinen.
    Auf dem Fluß gab es Schwäne und in einem natürlichen Hafenbecken Störche, Pelikane und Reiher; diese allerdings waren nicht eßbar. Es wimmelte von Vögeln, darunter das schmackhafte graue Rebhuhn und der delikate Kiebitz. Es gab Biber, Füchse und Dachse. Manchmal kamen alle Familien aus der Gegend zusammen

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