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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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lispelnden Sprechweise. Schon als Kind war er eitel gewesen. Nun, als Mann, war er ein religiöser Eiferer, ein geborener puritanischer Prediger, dachte sie. Die Leute mochten Obadiah nicht. Er wußte das und konnte es ihnen nicht verzeihen.
    Und Nathaniel: mit seinen dreiundzwanzig Jahren eine stattliche Erscheinung. Wie lässig er sich selbst in dieser Situation gab! Das goldene Haar fiel ihm über die Schultern. In der Hand hielt er eine lange Tonpfeife, mit der er bei seinen beliebten blasphemischen Flüchen wie von ungefähr auf Obadiah zeigte, um sicher zu sein, daß der Prediger sie auch gewiß hörte. Nathaniel war ihr geistesverwandt, ihr Lieblingsbruder, auch wenn er oft leichtsinnig war.
    Margaret kannte ihre Brüder sehr genau. In der kommenden Krise mußte sie Nathaniel vielleicht stützen, auf jeden Fall mußte sie das Kind beschützen.
    Wenn sie an die Ursachen des großen Sturmes dachte, der über sie alle hinwegfegen würde, kam es zumindest ihr so vor, als wäre alles auf ein Versagen des Königs zurückzuführen, des Königs mit seiner schrecklichen Doktrin vom göttlichen Recht. Deshalb waren Sarum und das halbe Land unter Waffen.
    Als um die Jahrhundertwende die alte Königin Elisabeth starb, fiel der Thron logischerweise an ihren Vetter Jakob I. Stuart von Schottland, den umsichtigen Sohn der enthaupteten Königin Maria von Schottland. Zunächst hatte es den Anschein, als gingen sie unter dem neuen Regime glücklichen Zeiten entgegen. Obwohl England und Schottland weiterhin getrennt blieben, hatten sie endlich einen gemeinsamen Monarchen. Der König war protestantisch, wie seine beiden Völker überwiegend auch. Endlich hatte man Frieden mit Spanien. Und war nicht der Beginn der Stuart-Dynastie in den bedeutendsten Stücken von Shakespeare verherrlicht worden, hatte nicht der Handel mit dem neu entdeckten amerikanischen Kontinent seinen Anfang genommen, und war nicht das edelste Buch in englischer Sprache, die englische Bibelversion König Jakobs, entstanden! Warum mußte dies alles so kläglich enden?
    Das rührte daher, daß weder Jakob noch sein Sohn Karl Verständnis für die von ihnen regierten Länder aufbrachten. Sie haßten die protestantischen Presbyter in Schottland, die ihre Bischöfe nicht anerkannten; sie verachteten das stolze englische Parlament. Jakob war der Überzeugung, daß Könige durch göttlichen Ratschluß regierten und nicht einmal die Parlamente sich in ihre Handlungsbereiche einmischen dürften. Jakobs Sohn Karl I. der durch seine verhaßten Günstlinge Buckingham und Strafford regierte, setzte die Ideen seines Vaters mit allen Mitteln durch.
    Endlich unterbrach Edmund Shockley das lastende Schweigen und ließ seine Geschwister an dem alten Eichentisch Platz nehmen. Er selbst saß am Kopfende und wirkte bedrückt. Die anderen warteten, bis er die Besprechung eröffnete.
    »Die Truppenorder des Königs wurde gegeben; er hat sein Banner in Nottingham aufgepflanzt. Das Parlament hat Lord Essex zehntausend Mann für das Gegenheer bewilligt.« Er hielt inne und blickte von einem zum anderen; auf dem jungen Nathaniel ruhte sein Auge besonders eindringlich. Auf welcher Seite Obadiah stand, wußte er. »Unsere Familie wird kämpfen«, erklärte er, »und zwar für das Parlament.« Eine lange Pause folgte. Dann sagte Nathaniel sehr leise: »Bruder Edmund, das kann ich nicht.«
    Obadiah gab einen ärgerlichen Laut von sich. Edmund zuckte zusammen. Er hatte das nicht erwartet, jedoch gehofft, er würde es nicht zu hören bekommen.
    Er hielt Obadiah zurück, der eben aufstehen wollte. »Bleib«, forderte er ihn ruhig auf. »Laß uns nicht so auseinandergehen. Wir wollen noch ein letztesmal darüber diskutieren.«
    Landauf, landab sahen sich in jenen Tagen die Familien mit den gleichen furchtbaren Entscheidungen konfrontiert. Es ging um grundsätzliche Fragen zur Struktur von Staat und Kirche, die nicht nur eine Spaltung des Königreiches, sondern Bruderkrieg, Töten und Sterben zur Folge hatten.
    Die letzte Debatte der Familie Shockley wurde mit Ruhe und Würde geführt. Die Argumente waren ihnen allen vertraut, doch nun kam die unumgängliche Stellungnahme jedes einzelnen. Die entscheidenden Fragen klangen fast wie ein Katechismus.
    Edmund fragte: »Meinst du, daß der König ohne Parlament regieren darf?«
    »Er hat das Recht dazu«, antwortete Nathaniel. »Aber das ist nicht üblich. Kann der König illegal Zölle erheben? Was ist mit dem Schiffsgeld?«
    Nathaniel erwiderte:

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