Sarum
Glück, denn diese Methode, Rekruten zu werben, wurde im Mai des folgenden Jahres abgeschafft.
Der letzte Brief, den Adam Shockley von seinem Vater erhielt, war typisch. Er traf 1790 ein, als er und Mary schon sieben Jahre in Pennsylvania lebten.
Mein lieber Adam!
Vielen Dank für Deinen Brief, den ich letztes Jahr erhielt. Sarum ist ruhig wie üblich, aber es mag dich interessieren, daß durch den Architekten Mr. Wyatt große Veränderungen an unserer Kathedrale vorgenommen werden. Der alte Glockenturm steht nicht mehr, ist abgetragen, die Stelle mit Gras überwachsen – ich trauere ihm nicht nach.
Die Sicht auf die Kirche ist jetzt viel besser. Auch das große Areal mit den verfallenen Grabsteinen und dem Schutt, der sogenannte Friedhof, wird bald nicht mehr sein. Alles wird eingeebnet, die Grabsteine werden entfernt, und Rasen wird angelegt.
Aber in der Kirche wurde der Lettner herausgenommen, und die alten farbigen Fenster sind zerbrochen worden. Auch die Votivkapellen der Hungerfords und der Beauchamps gibt es nicht mehr. Ich kann Dir die Auswirkungen dieser Arbeiten unter Wyatt gar nicht annähernd schildern – es ist eine unfaßliche Zerstörung. Seit der Reformation hat es nichts dergleichen gegeben.
Die Kirche sieht innen jetzt aus wie eine große Scheune, ganz normales Licht, einfacher Stein, nichts, wo das Auge verweilen möchte, wenn es von einer grauen Fläche zur anderen wandert.
Vor kurzem wurde Forest zum Lord ernannt. Er hat Dir noch nicht verziehen, daß Du ihn sitzengelassen hast.
Es tut mir leid, daß Du den jungen Mr. Pitt nicht mehr an die Macht hast kommen sehen. Er ist der dritte Sohn des großen Chatham, und ich muß sagen, daß er in Friedenszeiten ebenso kühne Pläne durchsetzt wie sein Vater seinerzeit im Krieg. Der jüngere William Pitt ist sehr sparsam – genau das brauchen wir nach all den Kriegen mit Deinem Amerika. Er besteuert nicht nur die Fenster der großen Häuser, sondern sogar meine bescheidene Anzahl. Ich mußte eines davon zumauern. Und man muß jetzt nicht nur für männliche Dienstboten – ich habe gar keinen –, sondern auch für weibliche Steuern zahlen. Der König war letztes Jahr geistig verwirrt, aber er hat sich wieder erholt. Die Radikalen behaupten allerdings, er sei noch nie bei Verstand gewesen. In Frankreich hat es eine Revolution gegeben. Ich glaube, König Ludwig und seine Königin sitzen im Gefängnis. Wir warten auf das, was noch kommt. Die Idealisten meinen, es sei der Anbruch eines neuen Zeitalters. Ich hoffe, daß dies nicht der Fall ist. Deine Schwester Frances wird heiraten, und zwar einen jungen Geistlichen namens Porteus mit beträchtlichem Einkommen.
Deine Schwester steht in sehr gutem Ansehen bei unserem Bischof Barrington, von dem ich viel halte – abgesehen davon, daß er dem Esel Wyatt erlaubt hat, die Kathedrale zu ruinieren. Ich glaube, daß sich Mr. Porteus durch seine Heirat mit Frances etwas vom Bischof erhofft; und da ich ihr nicht viel vererben kann und Ralph keinen Menschen sonst in der Welt hat, muß ich mich wohl über die Verbindung freuen. Frances ist jetzt fünfundzwanzig, und es ist höchste Zeit, daß für sie gesorgt wird.
So steht die Sache. Ich mußte ihn akzeptieren. Ralph hat lauter radikale Ideen. Ich werde ihn zu Porteus schicken, der bestimmt keine solchen Ideen hat, damit er sich mit ihm unterhält.
Ich werde wirklich alt. Vor neun Jahren wurde ich siebzig. Aber viele Shockleys sind mit einem langen Leben geschlagen. Es ist schade, daß Du Mr. Porteus nicht kennenlernst. Er würde Dir gefallen. Bitte grüße Deine liebe Frau von mir.
Herzlich Dein Vater J. S.
BONIE
1803
Es war Mitternacht. Neumond. Nur das leise Säuseln des Windes störte die kalte Stille der Oktobernacht in dem Städtchen Christchurch.
Der Hafen war leer und stockdunkel. Auch das Meer lag verlassen da. Wenigstens hofften dies die Menschen, denn auf der anderen Seite des Ärmelkanals wurde in den nordfranzösischen Häfen eine große Flotte aus Transportschiffen zusammengestellt.
In einer solchen stillen Nacht würden die Truppentransporte, sobald sie organisiert und für den Kampf mit den britischen Marineeinheiten ausgerüstet wären, in den Kanal vorstoßen und zur englischen Küste vordringen. Die Einwohner von Christchurch zitterten bei dem Gedanken, und das mit Recht.
Die Armee Napoleon Bonapartes an der französischen Küste galt als unschlagbar. Und dieser Macht standen eine nur kleine englische Armee und eine mäßig ausgebildete
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