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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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örtliche Miliz gegenüber; manche Männer hatten nur Lanzen als Waffen.
    Das war der Alptraum Englands, verursacht durch die Französische Revolution.
    Natürlich gab es immer noch Leute – extreme Whigs und Radikale, Männer wie den brillanten Charles James Fox –, die mit Begeisterung vom neuen Zeitalter der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sprachen, von dem sie annahmen, es sei in Frankreich angebrochen. Zu Beginn der Revolution glaubten junge Idealisten wie der Dichter Wordsworth wirklich, den Aufbruch in eine neue und glücklichere Zeit zu erleben. Aber das war noch vor der Einführung der Guillotine, vor dem Mord an dem Königspaar und den erstaunlichen Eroberungen des jungen Bonaparte. Seitdem priesen nur noch wenige Engländer die Revolution. Italien war den Franzosen zugefallen, und Ägypten wäre um ein Haar annektiert worden. Wenn Nelson nicht Napoleons Flotte und Vorräte zerstört hätte, wäre dieser außergewöhnliche Eroberer, der sich Caesar und Alexander zu Vorbildern genommen hatte, durch Asien bis nach Indien marschiert.
    Schlimmer noch: Als Bonaparte die Habsburger Provinz Niederlande nahm, was die Engländer am meisten gefürchtet hatten, fiel die gesamte gegenüberliegende Kanalküste in die Hände des Feindes. Im Kampf der europäischen Mächte war ein Stillstand eingetreten, ein unguter Friede, der bald wieder gebrochen wurde. Und selbst jener Mann, der wie ein Fels in der Brandung gestanden hatte, William Pitt der Jüngere, vielleicht der größte Minister, den England je hatte – selbst er war gegangen, hatte seinen Posten aufgegeben, weil König Georg sich weigerte, den irischen Katholiken Stimmrecht zu geben.
    Nun war der kurze Friede vorüber. Niemand wußte, welchen Schritt Bonaparte mit seinen mächtigen Armeen als nächsten unternehmen würde. England hatte als Schutz nur seine Flotte und stand völlig allein.
    Ein Geräusch, ein leichtes Klatschen, gefolgt vom leisen Knirschen eines Ruders auf Holz – fast nicht zu unterscheiden vom Platschen des Wassers auf dem Hafenschlick.
    Der junge Peter Wilson wartete geduldig am Ufer vor den Karren. Allmählich fuhren die Logger ein.
    Es waren sieben lange, leichte Schiffe mit einer kleinen Deckplanke an Bug und Heck, sonst waren sie offen, damit ihre kostbare Ladung rasch gelöscht werden konnte. Die Mannschaft bestand aus kräftigen Männern, und die Boote waren so einfach zu manövrieren, daß sie meist mühelos den Zollkuttern entkamen, die hinter ihnen her waren. »Da kommt der Wiltshire-Schwarm«, flüsterte Peter. Peter war ein Schmuggler.
    Er kam aus einer Familie mit zehn Mitgliedern, und alle waren sie Schmuggler, genau wie ihre Verwandten – ein weitgespanntes Netz von See- und Flußschiffern. Manche stammten von den zahlreichen illegitimen Kindern, die Kapitän Jack Wilson gezeugt hatte, bevor er Nellie Godfrey heiratete, andere hatten eine dunkle Herkunft. Manche hatten, wie Peter, schmale Gesichter, aber sie tauchten in allen Gestalten und Größen auf, machten Flüsse, Häfen und alle Dörfer in meilenweitem Umkreis unsicher.
    Peter war immer dabei, wenn die Logger in Christchurch landeten. Er kannte jeden Meter der Landzunge. Die heutige Ladung bestand aus Tabak, doch hauptsächlich aus Brandy, Rum und Genever. Als die Logger sich näherten, sprangen Dutzende von Männern herbei und halfen die Ladung löschen. Das war in einer Viertelstunde erledigt. Dann fuhren zwanzig Lastkarren, jeder mit einem bewaffneten Reiter vorneweg, langsam über die Landzunge, an den Erdwällen vorbei nach Westen. Es war ziemlich unwahrscheinlich, daß sie durch Zollfahnder Unannehmlichkeiten bekommen würden. Denn die hatten etwas Besseres zu tun, als auf dem Land einzuschreiten.
    Der Schmuggel fügte der Regierung in der Tat großen Schaden zu aus Gründen, die wenig zu tun hatten mit der Konterbande selbst oder mit dem hübschen Nebenerwerb, durchgebrannte Pärchen zur Eheschließung auf die Insel Jersey überzusetzen. Das Entscheidende war, daß die Schmuggler Gold außer Landes brachten, um damit die Konterbande aus Frankreich zu bezahlen; die phantastische Summe von über zehntausend Guineen wöchentlich verließ auf diese Weise die Insel. Gold wurde gefährlich knapp in England. Außerdem hatten die schmuggelnden Seeleute keine Hemmungen, den Franzosen Informationen über Englands Flotten- und Küstenverteidigung zu liefern.
    Doch Peter Wilson wußte davon nichts. Morgen sollte er in Sarum ein hübsches Sümmchen bekommen. Dann

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