Sarum
klug berechnet einige Male versetzen, dazwischen verbrachte er ein Jahr bei der Abwehr im Kriegsministerium. Er war immer reizend zu den Ehefrauen hoher Offiziere – zu reizend, behaupteten einige. Zu reizend wohl auch für seine eigene verspielte junge Frau aus guter Familie, die er jung geheiratet hatte, die ihn verließ und schließlich starb. Ob er es zum General bringen würde? Wohl kaum.
Er hatte – in der Geschäftswelt – ein paar andere interessante Eisen im Feuer, die er sich warmhielt, wenn die Zeit es erlaubte. Vielleicht würde er sogar fürs Parlament kandidieren. Archibald Forest-Wilson war ein höchst erfolgreicher, doch unzufriedener Mann. Groß, dunkel, mit langem, verschlossenem Habichtgesicht, einem winzigen Schnurrbärtchen akkurat über der Mitte der Oberlippe, schweren Lidern, schwarzen Augen unter schwarzen Brauen, die sich an den Enden nach oben drehten. Mit Männern ging er hart um, mit Frauen extrem liebevoll.
Nachdenklich fixierte er die goldenen Locken im Nacken seiner hübschen Chauffeuse und ihre anmutige Kopfhaltung. Zum Teufel mit meinem Vater! überlegte er. Allerdings hatte der klugerweise die zweite Tochter und Miterbin des letzten Lord Forest geheiratet. Die Wilsons hatten das Haus bei Christchurch im vergangenen Jahrhundert aufgeben müssen, als ihr Vermögen zerrann, doch durch diese Heirat war sein Vater ein reicher Mann geworden und hatte einen Besitz bei Winchester erworben. Als er jedoch die Möglichkeit hatte, einen Titel von Lloyd George zu kaufen, hatte er um den Preis gefeilscht. Dieser Dummkopf! dachte sein Sohn, als sie nach Wilton hineinfuhren. Er hätte nun wahrscheinlich den alten Forest-Titel übernehmen können. Archibald war zielstrebig. Der Krieg würde bald zu Ende sein; es war an der Zeit, daß er wieder heiratete und einen Erben bekam; und vielleicht, wieso auch nicht, den Titel?
Er stellte fest, daß er wieder seine Chauffeuse anstarrte. Nettes Mädchen – gute Klasse. Er hatte sich einige Male mit ihr unterhalten. Wie alt mochte sie sein, fünfundzwanzig etwa? Er war dreiundvierzig. Ein bißchen zu alt. Aber auch das Alter brachte manche Vorteile. Der kleine Wagen holperte am Tor von Wilton House vorüber und hielt bei Kingsbury. Er stieg umständlich aus. »Sie haben jetzt den Tag frei, nicht wahr, Patricia?«
»Ja, Sir.«
Er lächelte sie freundlich an. »Tut mir leid, daß ich Sie nicht zum Lunch einladen kann, aber der General erwartet mich. Vielleicht haben Sie ein andermal Zeit.«
»Das wäre nett.«
Ihr Lächeln war sehr korrekt. Rasch hatte er sich einen detaillierten Überblick verschafft: gute Beine, gute Figur, hübscher Busen, nicht zu groß, nicht zu klein, tolle Augen. Das kurze blonde Haar und die bis oben hin zugeknöpfte Uniform des Hilfskorps standen ihr jedenfalls gut. »Also«, sagte er leichthin, »ich muß jetzt weiter.« Patricia Shockley. Nettes Mädchen – und vielleicht auch ganz interessant.
Um halb zwei Uhr saß Patricia Shockley dem großen, beleibten John Mason gegenüber – in dem engen Restaurant an der Einfahrt zum Kathedralgelände, dem sogenannten Stufenhaus. Es war ein mittelalterliches Haus mit schweren Balken und einer Unzahl von kleinen Stufen und Treppen zwischen den vielen Räumen und Podesten. Vor allem aber war es eines der besten Restaurants. Doch Patricia Shockley war nicht sonderlich froh. »Sag mir: Ist es, weil ich keine Uniform trage?« Auf seiner Stirn, wo das Haar sich schon stark lichtete, standen kleine Schweißtropfen. Er würde sicher nicht so schwitzen, wenn er nicht unbedingt, selbst jetzt zu Sommeranfang, diesen dicken braunen Tweedanzug mit Fischgrätmuster und die schweren braunen Schuhe tragen würde. Vielleicht hatte er sogar eine Wollweste und lange Unterhosen an? Patricia war überzeugt davon.
Er war fünfunddreißig, wirkte aber wie fünfzig. Was sollte sie ihm also jetzt sagen; daß es deshalb sei, weil er keine Uniform trug? Sollte sie ihm die Wahrheit sagen, sich irgendeine Entschuldigung ausdenken? Im Zweifelsfall die Wahrheit, dachte sie und sagte: »John, ich bin einfach nicht in dich verliebt – tut mir leid.«
»Ich dachte, vielleicht…«
»Weil ich es zugelassen habe, daß du mich geküßt hast?
Nein.«
»Ich verstehe. Das war nicht meine Schuld.«
Natürlich nicht. Nichts war jemals John Masons Schuld. Es war nicht seine Schuld, daß er wegen seiner schwachen Lunge nicht zur Armee gehen konnte, obwohl er deshalb täglich ein schlechtes Gewissen hatte. Im Grunde
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