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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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frei.«
    »Also dann morgen. Aber ich suche das Restaurant aus. Ich weiß hier Bescheid.«
    Als er sich gegen Ende jener extremen Zeit vor dem Juni 1944 fragte, wann genau er gewußt habe, daß sie eine Affäre miteinander haben würden, kam er zu dem Schluß, daß es in ebendem Augenblick war, als sie die Tür des düsteren viktorianischen Hauses geöffnet hatte, das sie mit einem Dutzend anderer Fahrerinnen des Hilfskorps auf dem MilfordHill teilte.
    Er dachte fast unausgesetzt an sie, sah ihr goldenes Haar und die lachenden Augen vor sich.
    Es war eine wildbewegte Zeit für die Kampfflieger, die ihre Einsätze von den Stützpunkten Ibsley und Truxton oder von Stony Cross in New Forest flogen. Entweder schlugen sie die Zeit tot oder ruhten sich aus, oder sie bereiteten durch die Angriffe auf feindliche Stellungen in Nordfrankreich die Operation Overlord vor.
    Wie war es möglich, daß in diesem Dasein, wo das Leben oft an einem seidenen Faden hing, gleichzeitig so etwas wie Patricia Shockley existierte?
    Sie wußte sicher, was das bedeutete: Augenblicke, die sie sich stehlen mußten, Leidenschaft, die man durchlebte, wann immer das möglich war – mit dem Wissen, daß jedes Mal das letzte Mal sein konnte. Er hoffte inständig, daß sie ebenso intensiv an ihn dachte wie er an sie. Als sie die Tür öffnete und ihn scheu anlächelte, wußte er, daß es so war. »Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte er – es waren zwei Paar Nylonstrümpfe.
    »Ach, du bist einfach süß.«
    Sie aßen außerhalb der Stadt in der Old Mill in Harnham. »Das war früher eine richtige Mühle und davor wahrscheinlich eine Walkmühle«, berichtete sie und erklärte ihm den Zweck einer solchen Mühle. »Man möchte nicht glauben, daß dieser verschlafene Ort einmal zu den Tuchzentren Englands gehört hat, nicht wahr?« Ein besseres Essen hätten sie in ganz Sarum nicht bekommen. Er bestellte eine Flasche guten Rotwein. Danach gingen sie, eingehüllt von einem warmen tiefen Gefühl, über die mondhellen Rieselwiesen, vor ihnen die stillen grauen Umrisse der Kathedrale. Auf der kleinen Holzbrücke über den Fluß küßte er sie. Nach einer Weile fragte sie: »Was hast du für Pläne?« Er lächelte. »Ich bleibe die Nacht über im White Hart. Ich habe das beste Zimmer bestellt, falls plötzlich meine Frau auftaucht.«
    »Aha, sie heißt wahrscheinlich Shockley.«
    »Ich nehme es an.« Sie hängte sich bei ihm ein. »Bring mich dorthin, Shockley.«
    Die Affäre von Adam Shockley und Patricia Shockley spielte sich im Monat Mai in Form verschiedener Begegnungen, meist nachmittags ab. Das war nicht einfach. Einmal trafen sie sich in Fordingbridge; ein andermal in Downton; beide Orte lagen zwischen seinem Stützpunkt und Salisbury. Eines schönen Nachmittags fuhr er mit dem Bus nach Salisbury, und sie nahm ihn in ihrem Wagen nach Alt-Sarum und auf die Höhen mit.
    »Jetzt zeige ich dir das andere Sarum«, sagte sie. »Aber wenn wir beide…?«
    »Keine Angst«, unterbrach sie ihn, »wir finden schon einen Platz.« Nach der Besichtigung der Ruinen von Alt-Sarum und einem Blick über die Ebene mit dem großen getarnten Wagenpark fuhren sie das Avon-Tal hinauf und stellten das Auto in Avonsford ab. »Komm«, rief sie, »wir machen ein Picknick.« Er trug den kleinen Korb, den sie vorbereitet hatte, sie nahm eine Decke mit, und so folgten sie dem Pfad auf den Hügelkamm. »Schau«, sagte sie stolz, als sich ihnen ein herrlicher Ausblick öffnete, »diese Stelle habe ich letzten Herbst entdeckt – ist das nicht himmlisch?«
    Auf dem kleinen Hügel neben ihnen stand eine Baumgruppe. Sie gingen weiter, über ein Brachfeld, und waren zu ihrer Überraschung plötzlich von einem Schwarm blauer Schmetterlinge eingehüllt. Oben entdeckten sie inmitten der Bäume, meist Eiben, eine grasbewachsene Stelle.
    »Ein merkwürdiger Ort«, meinte er.
    »Es ist völlig einsam hier«, lachte sie, breitete die Decke aus, legte sich darauf und öffnete ihre Jacke. »Picknick?« fragte sie.
    Adam Shockley war niemals glücklicher gewesen als in diesen kurzen Intermezzi mit Patricia. Bald fanden seine Kameraden die Sache heraus und neckten ihn wegen der merkwürdigen Nachrichten, die ab und zu neben dem Telefon für ihn hinterlegt wurden – absolut mysteriös, wie etwa: »Downton, 2.30.«
    »Wer ist es denn?« wollten sie wissen, und als er es nicht sagte, wurde sie für die ganze Station Downton 2.30.
    Auch Patricia fühlte sich wunderbar – bis auf die sorgenvollen

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