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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Tatsache waren die Leute in Sarum schlichtweg bestürzt. Die meisten von ihnen begriffen zum erstenmal, daß ihre Insel im Herzen des mächtigen Britischen Empire arm war.
    Wichtigster Treffpunkt und allgemeines Informationszentrum war für die GIs in Sarum der Rotkreuzclub in der High Street. Neben der üblichen Kantine und den Aufenthaltsräumen wurde ein höchst wichtiger Service, und zwar der Blumenversand, durch freiwillige Helferinnen am Informationsschalter angeboten. Nirgends sonst in Sarum konnte ein amerikanischer Armeeangehöriger Blumen nach Hause schicken. Hierher kam Patricia Shockley sofort, nachdem sie John Mason verlassen hatte. Sie brauchte Rückenstärkung, und ihre Freundin Elisabeth, eine sensible, jungverheiratete Frau, die am Schalter gerade Dienst tat, gab ihr immer kluge Ratschläge. »Ich habe das doch richtig gemacht, nicht wahr?«
    »Absolut. Du hättest gar nichts anderes tun können.« »Gott sei Dank. Glaubst du, daß er mich jetzt in Ruhe läßt?« »Ehrlich gesagt, nein. Er scheint zu allem entschlossen zu sein.« Da kam ein junger amerikanischer Fliegeroffizier auf sie zu. Am Gang erkannte man den Sportler. Seinen blauen Augen schien nichts zu entgehen.
    »Gibt’s hier die Blumen?« erkundigte er sich bei Elisabeth. »Ja. Nach Amerika wahrscheinlich?«
    »Richtig; nach Philadelphia.«
    »Sie wollen bestimmt rote, langstielige Rosen schicken?«
    »Stimmt. Woher wissen Sie das?«
    Elisabeth seufzte gespielt. »Weil noch kein Amerikaner, der an diesem Schalter aufgetaucht ist, etwas anderes schicken wollte. Für Ihre Verlobte?«
    »Gibt’s nicht! Für meine Mutter zum Geburtstag.«
    »Also rote Rosen nach Philadelphia. Und der Name?«
    »Shockley, Adam. Für Mrs. Charles Shockley.« Ziemlich bald hatten sie alles über ihn erfahren, einschließlich der Tatsache, daß er nie vorher in Salisbury gewesen war. Ja, seine Familie war aus England nach Amerika gekommen, aber er wußte nicht, woher. Patricia überlegte. Es hatte einen Adam Shockley auf dem Stammbaum im Arbeitszimmer ihres Vaters gegeben, dessen war sie sicher. Sie glaubte sich zu erinnern, daß er nach Pennsylvania ausgewandert war. »Möglicherweise sind wir beide verwandt«, sagte sie. »Es gibt nicht allzu viele Shockleys hier, weißt du?«
    »Und was kann man denn hier so machen?« fragte er. »Wenn du ein paar Stunden Zeit hast, führe ich dich durch die Stadt«, bot sie ihm an. »Ich habe jetzt frei.« Es würde ihr helfen, John Mason aus ihren Gedanken zu verbannen.
    Sie gingen zusammen in die Kathedrale und auf das umliegende Gelände mit den behäbigen alten Häusern und den schattigen Ulmen. Sie zeigte ihm den Fluß mit den Wasserpflanzen und den Schwänen. Sie führte ihn über das Poultry Cross auf den Marktplatz. Er war überrascht, wie altertümlich alles war.
    »Du willst also wirklich sagen, daß das kleine Giebelhaus dort schon sechseinhalb Jahrhunderte genauso dasteht?« fragte er und deutete auf ein nach vorn geneigtes Häuschen in der New Street. »Ja, das ist komisch, nicht wahr?« lächelte sie. »Und ist dir klar, daß dies hier nur die neue Stadt ist? Die alte liegt dort oben«, und sie zeigte in die Richtung von Alt-Sarum. »Es ist unglaublich«, gab er zu.
    Obwohl Markttag war, gab es nur wenig Stände, und der Platz wirkte ziemlich verlassen. »Was vermißt du am meisten?«
    »Nylonstrümpfe«, war ihre prompte Antwort. Sie tranken im Bay Tree Tee, wo sie noch einmal versuchten, ihre verwandtschaftlichen Bande zu klären. Sie kamen damit nicht weit, aber sie erzählten einander vieles über die jeweilige Familie. Sein Vater war ein erfolgreicher Rechtsanwalt und lebte in jenem ausgedehnten, komfortablen Vorort, der Philadelphia Main Line. Sie erzählte ihm von ihrer Familie, von ihrem weiträumigen Haus mit den beiden Koppeln in New Forest, etwas außerhalb von Christchurch; ihr Vater, ein pensionierter Oberst, organisierte alles, was im Radius von fünf Meilen vor sich ging, und ihr Bruder war bei der Marine.
    »Wenn das alles vorbei ist, solltest du mal auf Besuch kommen, Vetter Adam«, lachte sie.
    Wie bezaubernd sie war! Sie schien an allem Spaß zu haben. Er überlegte, wie in dieser altertümlichen Stadt wohl gewöhnlich ein Rendezvous verabredet würde. Der beste Weg, das herauszufinden, war, sie einfach zu fragen. Und ihre freimütige Reaktion bestätigte ihn. »Das wäre nett«, erwiderte sie. »Wann hattest du denn gedacht?«
    »Heute nacht fliege ich Einsatz. Morgen habe ich

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