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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hatte John Mason mehr für den Kriegsapparat getan als zehn andere. In seinem Anwaltsberuf hatte er nur soviel gearbeitet, daß er seine Rechnungen bezahlen konnte. Seine gesamte übrige Zeit hatte er in den Dienst des Krieges gestellt. Es gab praktisch nichts, wo er nicht seine Hand im Spiel hatte. Er war ein fabelhafter Organisator. Nein, es war sicher nicht seine Schuld gewesen, daß sie sich ein paarmal von ihm ausführen ließ und er sie eines Abends sogar küssen durfte, nachdem sie ihn zuerst geküßt hatte. Sie hatte angenommen, es werde ihm guttun. Wäre sie noch weiter gegangen, wenn er sie nicht unmittelbar darauf, und zwar ganz im Ernst, gebeten hätte, ihn zu heiraten? Nein, das nahm sie nicht an.
    »Vielleicht, daß du später…«
    »Nein.« Sie mußte jetzt unbedingt fest bleiben. »Bitte, vergiß mich.« Es ist absurd, daß ich geglaubt habe, daß dieses reizende, goldhaarige Mädchen in der schmucken Uniform irgendein Interesse an mir zeigen könnte, dachte Mason bedrückt. Und doch glaubte er hinter ihrer forschen Art etwas Verletzliches, Kindliches zu entdecken, das beschützt werden mußte. Er hätte sie gern beschützt.
    Der Kaffee kam. Gott sei Dank gibt es trotz der Rationierung immer noch genügend Kaffee, dachte sie.
    »Es wäre besser, wir würden uns eine Weile nicht treffen, John.«
    »Wie du willst.«
    Sie stand auf. »Ich muß gehen.« Und schon war sie draußen. John Mason saß da und überlegte. Langsam schlürfte er seinen Kaffee; er wollte die Hoffnung nicht gänzlich aufgeben.
    Die Einwohner von Sarum taten ihr Bestes, um den gewaltigen Ansturm der Amerikaner gebührend zu empfangen, doch vieles war ihnen rätselhaft. Zwei Jahre des Miteinanderlebens bügelten viele Schwierigkeiten auf beiden Seiten aus, und doch blieben Mißverständnisse. Die wachsende gegenseitige Achtung während der Kampfhandlungen war hilfreich. Anfangs hatten die Amerikaner oft Verachtung für ihre Alliierten gezeigt, die den Krieg nicht ohne sie gewinnen konnten. Der erste Schub, der im Sommer 1942 nach Sarum kam, hatte gerade eine Ausbildung in Florida hinter sich. Die Männer, in Baumwolluniform und ohne Mantel, sahen sich mit einem Sommer konfrontiert, der, an englischen Maßstäben gemessen, außergewöhnlich kalt und feucht war. Die Neuankömmlinge wanderten nun massenweise mit Grippe, sogar Lungenentzündung ins Lazarett. Das war kein guter Anfang. Der Afrikafeldzug hatte das alles verändert. Da war nichts mehr von Herablassung und Arroganz. Sie hatten auch einen neuen gemeinsamen Helden, den britischen General Alexander.
    Die Einwohner Sarums lernten die Amerikaner allmählich besser kennen. Sie fanden bald heraus, daß die US-Armee aus zwei Kategorien bestand: Die eine wurde lediglich für gut befunden, für Nachschub und Verpflegung zu sorgen – Leute in der Schreibstube, Zahlmeister und ähnliches; die andere waren die Kampftruppen, die, wenn es auch so aussah, als lehnten sie sich ständig lässig irgendwo an, eine bewundernswert zähe, gleichsam sprungbereite Art hatten. Bald konnten die Leute in Sarum die Angehörigen beider Gruppen auf den ersten Blick unterscheiden.
    Trotz der Achtung für die kämpfenden Soldaten waren die Einwohner wenig begeistert, wenn man ihre bescheidenen, erhöht gelegenen Häuserreihen als Slums bezeichnete; und wenn es auch Fraternisierung gab, war es den englischen Mädchen, den Krankenschwestern und den Frauen des dort stationierten Hilfskorps bald klar, daß die Gäste sie und ihre Kleider, die sie auf Bezugsschein erhielten, höchst unelegant fanden. Als die erste amerikanische Krankenschwester mit dem unerhörten Luxus von Nylonstrümpfen im Lazarett erschien, gab es großes Geschrei.
    Natürlich spielte auch Geld eine Rolle. Je tiefer der militärische Rang, um so gravierender war der Unterschied. Die hohen englischen Offiziere und Vorgesetzten etwa, die Patricia umherfuhr, waren ungefähr genausogut daran wie die Amerikaner entsprechender Position. Ein Oberst war etwas weniger wohlhabend, was allerdings kaum ins Gewicht fiel. Ein Major bekam nur zwei Drittel vom Sold seines amerikanischen Kollegen; ein Hauptmann sogar nur die Hälfte. Ein amerikanischer Leutnant bekam zweieinhalbmal soviel ausbezahlt wie ein englischer. Ein einfacher Soldat der USArmee erhielt in englischer Währung die fürstliche Summe von drei Pfund, acht Schillingen und neun Pence wöchentlich. Das war etwa das Fünffache des englischen Solds für den niedersten Dienstgrad.
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