Sarum
an.« Er gab Katesh das Baby zurück und strich ihr liebevoll übers Haar.
Zum nächsten Vollmond, vor Einbruch des ersten Frostes, gab es ein Fest in der kleinen Hütte im Tal. Der Steinmetz legte den Boden draußen sorgfältig mit Binsenmatten aus, während Katesh das Mahl zubereitete, dessen Krönung die höchste Delikatesse im Tal war: ein ganzes Spanferkel, das sich langsam am Spieß über dem offenen Feuer drehte. Es gab Weizenkuchen, reife Beeren und dunkles Bier aus großen Krügen und süßen schweren Met, aus dem Honig der Bienenstöcke in den nahen Wäldern gegoren.
Zu diesem Fest lud Nooma seine besten Steinmetze, Kateshs Familie, seinen Freund Tark und einen Priester ein, ohne den das Fest keine Bedeutung gehabt hätte, denn es war das Vorrecht der Priester, dem Kind einen Namen zu geben.
Vor Sonnenuntergang brachte man das Baby heraus und zeigte es dem Priester.
Er war ein ernster junger Mann. Wie alle Priester trug er ein schweres Gewand aus ungefärbter brauner Wolle, und sein Kopf war gemäß dem Brauch bis auf einen V-förmigen Haarbusch geschoren, dessen Spitze zwischen die Augen zeigte. Eine Weile stand er still da, seine Augen wanderten von dem Kopf des Babys zur feierlichen Miene des kleinen Steinmetzen.
»Der Sohn gleicht dem Vater. Er soll Noo-ma-ti heißen«, sagte er lächelnd.
Das war ein kluges Wortspiel, denn es bedeutete sowohl »wie Nooma« als auch »Mann aus Stein«. Die Gäste jubelten entzückt über den passenden Namen, und das Fest nahm seinen Anfang. Zum Schluß des Festes, als der süße und berauschende Met getrunken war, war die Reihe an Tark, dem Flußschiffer, mit den Gästen zu singen. Als er in seiner vollen tiefen Stimme begann, fielen die Männer fröhlich ein. Sie sangen die alten Jagdlieder der Gegend und auch frivole. Schließlich sagte Tark: »Jetzt ein Schlaflied für das Kind«, und stimmte eine langsame rhythmische Melodie an.
Drei Tage später ließ Nooma den ersten fertigbehauenen Sarsen zum Henge befördern. Er hatte diese Jahreszeit gewählt, weil die ersten Fröste den Boden so hart machten, daß die Steine trotz ihres ungeheuren Gewichts nicht einsinken konnten.
Nach seinen Anweisungen wurde jeder Sarsen auf einem Holzrahmen montiert. Hunderte von Baumstämmen wurden an verschiedenen Punkten der Strecke gestapelt und als Rollen unter die Holzrahmen geschoben. Der Weg war sorgfältig geplant und verlief so weit wie möglich auf Anhöhen, wo man leichter vorankam. Nooma hatte für diese Arbeit fünfhundert Männer und hundert Ochsengespanne vorgesehen. Die Ochsen erwiesen sich jedoch bald als Problem. »Diese Tiere sind noch störrischer als die Menschen«, sagte ein Priester zu Nooma, und das mit Recht.
»Man wird überhaupt nicht mit ihnen fertig«, rief der Steinmetz verzweifelt und ließ sie weitgehend durch Menschen ersetzen. Schließlich benutzte man die Ochsen nur bei den Steigungen, wo sie die Männer unterstützten, die an den Lederriemen zogen und trotz der harten Arbeit sangen.
Als Schnee fiel, konstruierte Nooma einen großen Schlitten für die Steine, doch ihr Gewicht war so groß, daß der Schlitten einsank und nicht zu bewegen war; so mußte der Transport der Sarsens bis zum Frühjahr eingestellt werden.
Im Frühling, kurz nach der Tagundnachtgleiche, kam endlich die in Sarum so sehnlich erwartete Nachricht: Raka war schwanger. Sie war ein seltsames Wesen. In all den Monaten sprach sie wenig, beklagte sich über nichts, verlangte nichts, hatte weder Freunde noch Feinde; sie war immer an Kronas Seite, nahm keine Notiz von den anderen Frauen im Haus, einschließlich der alten Ina. Sie trat ihnen nicht zu nahe, tat jedoch so, als ob es sie gar nicht gäbe. Ina wirkte niedergeschlagen; jetzt allerdings, wo das Mädchen ein Kind trug, konnte niemand ein Wort gegen sie sagen.
Krona war glücklich. Er schöpfte gleichsam täglich neue Kräfte aus Raka, und jeden Tag, wenn er ihren Bauch runder werden sah, rief er aus: »Dich haben uns die Götter geschickt.«
Am Ende des Frühlings wies alles auf einen strahlenden Sommer hin: Eine schier endlose Reihe von heißen ruhigen Tagen folgte, und auf den weiten Hängen über den fünf Flüssen versprach das volle Getreide eine Rekordernte. Endlich herrschte Frieden zwischen Sarum und den Göttern, und Krona war voller Hoffnung. Einen Monat vor der Sommersonnenwende begann Nooma mit der Aufstellung des ersten gewaltigen Trilithons des neuen Stonehenge.
In dieser Zeit war auch der Steinmetz
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