Sarum
gehabt zu haben. Krona lächelte wieder, wie es der Hohepriester schon seit langem nicht mehr gesehen hatte. Raka war hochschwanger.
»Endlich blickt der Sonnengott wieder freundlich auf uns«, sagte Krona zu Dluc, der zustimmend nickte. Im Herbst darauf ereignete sich ein Schicksalsschlag. Es war in einer warmen klaren Nacht im frühen Herbst: Der Mond war im dreizehnten Jahr des Zyklus; es blieben noch sechs Jahre bis zur Vollendung des großen Henge. Dluc und Krona hatten ein ruhiges Gespräch im Haus auf dem Hügel, und der Hohepriester freute sich schon auf seinen gewohnten Besuch im Henge, später in der Nacht, als ein Schrei aus einem anderen Raum die beiden Männer jäh unterbrach. Rakas Wehen hatten zu früh eingesetzt, und als Dluc sie sah, wußte er sofort, daß etwas nicht stimmte.
Der Rest der Nacht blieb als eine Reihe verschwommener Bilder in seiner Erinnerung: Krona, der ihn verzweifelt verfluchte, seine eigenen inständigen Gebete an die Götter und die schreckliche Überzeugung, daß sie vergeblich waren; Ina, die, wie immer still und stark, das arme Mädchen in ihren Armen hielt, der Herrscher, wie er aschfahl und wie ein Schlafwandler aus dem Zimmer ging. Vor allem jedoch erinnerte Dluc sich an Blut. Es schien überall zu sein, als ob ein Opfer von einem Pfuscher vollzogen worden wäre. Blut auf dem Bett, auf dem Boden, sogar an den Wänden. Noch ehe das Kind aus dem Mutterleib kam, waren beide tot. Es lag auf dem Boden, ein kleines, blutiges, graues Bündel Fleisch, der Tod all ihrer Hoffnungen.
Während Ina, den Kopf hin und her wiegend, das tote Kind aufhob, begannen ihre Frauen über der toten Raka zu wehklagen und zu trauern und streuten dabei Kräuter auf den Boden. Auch Dluc weinte. Er erinnerte sich an das Blut und an Kronas Gesicht, als er ihn später aufsuchte. Der Herrscher saß allein in einem Nebenhaus, in dem nur zwei Kerzen brannten; es war jedoch hell genug, daß der Priester sein Gesicht klar sehen konnte. Es war das furchtbarste Gesicht, das er je gesehen hatte – weder zornig noch verzweifelt: einfach leer. Krona starrte Dluc entgegen, als sähe er durch ihn hindurch, und noch bevor er etwas sagte, wußte der Priester, daß Krona den Verstand verloren hatte.
Im Tal war während des Sommers einiges vorgefallen, was allerdings geringere Bedeutung hatte.
Eines herrlichen Frühsommertages stand Katesh zufällig am Flußufer unterhalb der Hütte, als Tark, der Flußschiffer, ebenso zufällig Nooma, den Steinmetz, vom Henge flußabwärts nach Hause paddelte. Katesh war an diesem Tag sehr ausgeglichen. Als sie die Augen schloß, die warme Sonne auf ihrem Gesicht spielen ließ und dann auf das rundliche Baby neben sich schaute, das vor sich hin krähte, fühlte sie sich so zufrieden wie schon seit langem nicht mehr.
Sie hatte den Rat ihrer Mutter befolgt: Sie hatte alle anderen Gedanken aus ihrem Kopf verbannt und versucht, ihren seltsamen kleinen Gatten glücklich zu machen. Und auf gewisse Weise war sie belohnt worden. Sie entdeckte das Kanu noch in einiger Entfernung. Nooma saß mit dem Rücken zu ihr, Tark paddelte.
Sie blickte auf die kleine Gestalt ihres Gemahls, wie sein breiter Rücken sich wölbte, während er dem Flußschiffer irgend etwas erklärte, und dann auf die große schlanke Gestalt Tarks, wie er still zuhörte und das Kanu den Fluß hinuntersteuerte; da kam es ihr unwillkürlich in den Sinn, wie komisch der kleine Steinmetz neben dem Flußschiffer wirkte. Einen Moment lang war Nooma wie ein Fremder für sie, während Tark…
Sie legten an, und der kleine Baumeister sprang mit einem Freudenschrei ans Ufer, nahm seine Frau in die Arme, hob seinen kleinen Sohn hoch, zeigte ihn Tark und sagte: »Schau den kleinen Steinmetz an!« Nun gingen sie gemeinsam zu seiner Hütte. Es war das erste Mal seit Monaten, daß Katesh dem Flußschiffer nahe war. Sie hatte ihn jedoch ab und zu in einem seiner Boote vorbeifahren sehen oder wenn er an der Handelsstation seine Anweisungen gegeben hatte. Auch hatte ihr Mann ihn oft lobend erwähnt, aber von den Frauen hatte sie erfahren, daß er noch einen anderen Ruf hatte, was sie nicht überraschte. Er hatte ihre Neugier geweckt. Jetzt merkte sie, daß seine Gegenwart sie beunruhigte. Nooma war in die Hütte gegangen, um irgend etwas zu holen; sie war mit Tark allein draußen im Sonnenlicht. Wie es sich für eine gute Hausfrau geziemte, bot sie ihm Weizenkuchen und Getränke an und saß bescheiden auf dem Boden, während er
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