Sarum
vorgegangen. Auf der langen Reise hatte er sie nicht nur den Dialekt von Sarum gelehrt, sondern sie auch sorgfältig auf ihre neue Rolle vorbereitet. Das Mädchen hatte wenig dazu gesagt, doch der Priester ahnte, daß sie ihn sehr wohl verstand. Die Nachricht von ihrer Ankunft war ihnen zum Hügel von Sarum lange vorausgeeilt, und Dluc erwartete sie am Flußufer. Als er sie zu Kronas Haus geleitete, wurde ihm leicht ums Herz; ihre fehlende Anmut glich sie durch eine absolute Sicherheit über ihre zukünftige Bestimmung aus.
Ob durch ihren Instinkt oder durch Omnics Worte geleitet, sie erfaßte die Situation jedenfalls sofort. Im Haus angekommen, ging sie geradewegs auf Krona zu und sagte in ihrem fremdartigen Akzent: »Ich bin Raka, deine Gemahlin. Du sollst wieder Kinder haben.« In der Gegenwart dieser fremden Frau von den westlichen Inseln erholte sich der Herrscher zusehends. Die Blässe wich aus seinem Gesicht; die Augen wurden klarer, vor allem aber erwachte wieder Hoffnung, er spürte eine neue Wärme tief in seinem Innern. Raka und Ina waren ihm ständig zur Seite. Das Mädchen sprach wenig. Aber jeden Tag sah sie Krona in die Augen und sagte mit großer Sicherheit: »Bald wird es dir wieder gutgehen.« Krona schöpfte daraus Stärke und Trost.
Am fünften Tag nach ihrer Ankunft sagte Dluc: »Es ist Zeit, den Tag der Hochzeit zu bestimmen.«
Krona antwortete: »Laß es am Abend der Wintersonnenwende sein, in drei Tagen also. Kein Tag im Kalender verheißt größeres Glück.« Die Zeremonie fand bei Anbruch der Nacht im Hauptraum von Kronas Haus statt. Alle Leuchter brannten, und die zwanzig vornehmsten Familien aus Sarum drängten herein.
»Das Paar soll nach vorne kommen«, rief Dluc, und Krona trat mit Raka vor ihn hin. Er sah jünger und kräftiger aus als seit langem, und der Priester war glücklich, den großen Herrscher, den er liebte, wieder so wie früher zu sehen. Dann folgte Dluc dem am Abend des Winterfestes von alters her geübten Brauch und sagte laut: »Laßt die Kornjungfer hereinkommen.«
Die alte Ina und ihre Dienerin brachten diese außergewöhnliche Figur, die auch jetzt Kronas Herz schneller schlagen ließ: Zwei Ellen hoch, aus kunstvoll ineinandergeflochtenen Ähren gefertigt, so daß eine weibliche Gestalt mit großen Brüsten und weit geöffneten Beinen entstanden war, stellte die Kornjungfer das Inbild der Fruchtbarkeit dar. Die Frauen legten sie vorsichtig auf eine Bank in der Mitte des Raumes. Dann rief Dluc aus: »Sonnengott, segne diese schöne Jungfrau, damit sie fruchtbar werde.«
Sobald diese Worte ausgesprochen waren, tanzten Ina und ihre Frauen langsam dreimal um die Kornjungfer herum und hielten nach jeder Runde mit einer Verneigung inne.
Im nächsten Teil der Zeremonie richtete Dluc seine Gedanken auf Krona. Er nahm eine schwere, altersdunkle Holzkeule und legte sie zwischen die Beine der Kornjungfer.
»Wir haben gepflügt und gesät«, riefen die Männer, »mögen wir auch ernten!«
Erneut umschritten Ina und ihre Frauen die Kornjungfer dreimal, klatschten dabei in die Hände und deuteten mit herausfordernden Gesten auf die Fruchtbarkeit der Korn Jungfer hin. Die Zeremonie war beendet; die Strohpuppe blieb, die Keule zwischen den Beinen, bis zum Sonnenuntergang des nächsten Tages liegen. Dann führte Dluc Krona und das Mädchen nach vorn. »Sonne, mächtigster aller Götter«, rief er, »Lebensspender! Segne die Ehe dieses Mannes und dieser Frau, und laß auch sie fruchtbar sein!« Alle Anwesenden klatschten Beifall.
Dann setzte Dluc dem Mädchen einen Goldreif aufs Haupt. »Raka«, sagte er ernst, »du wurdest von den Göttern auserwählt.« Das Oberhaupt Krona betrachtete die Korn Jungfer, dieses Fruchtbarkeitssymbol der Felder, das ihn so lebhaft an seine Kindheit erinnerte, dann ruhte sein Blick liebevoll auf seiner treuen alten Gemahlin, bis er auf das junge Mädchen an seiner Seite fiel. Er fühlte sich wie neugeboren.
Zu diesem Zeitpunkt glaubten Krona und der Hohepriester wirklich, daß die Sorge um Sarum gebannt sei.
Ein paar Tage später ereignete sich in der bescheidenen Hütte im Nordtal etwas, das dem Steinmetz große Freude bescherte. Sein Sohn wurde geboren: ein prächtiger kleiner Junge mit großem rundem Kopf, ernsten Kulleraugen und stummeligen kleinen Händen mit kurzen Daumen; als Nooma den Jungen hochhob und betrachtete, strahlte er vor Zufriedenheit.
»Du wirst einmal ein hervorragender Steinmetz«, lachte er, »schau dir nur deine Hände
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