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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ich zur Not ertragen.
    Er ist kleiner als ich; das ist nicht so schlimm. Aber er ist – es war ihr schrecklich, das auch nur zu denken –, er ist lächerlich.
    Wie soll ich ihn bloß lieben? In jener Nacht, als sie an den jungen gutaussehenden Mann ihrer Träume dachte, an einen,
den sie sich zum Gemahl gewünscht hätte, und als ihr bewußt wurde, daß sie den Rest ihres Lebens mit diesem Menschen mit dem großen Kopf, den krummen Beinen und den komischen kleinen Händen verbringen müßte, weinte sie bittere Tränen. Zwei Tage lang flehte sie ihren Vater an, aber jedesmal tat er so, als höre er nichts, und ihre Mutter schüttelte nur traurig den Kopf. »Du mußt deinem Vater gehorchen«,
sagte sie. »Er wählt schon den richtigen Mann für dich.« Als der Baumeister kam und ihrem Vater den geringen Preis für sie bezahlte, versteckte sie sich im Haus und weinte, bis ihre Eltern sie holten. Ihre Mutter gab ihr einen ernsten Rat,
der eher ein Befehl war, mit auf den künftigen Lebensweg:
»Denke daran, Katesh, daß du jetzt dreizehn, also erwachsen bist. Dein Mann muß glauben, daß du ihn liebst. Du mußt ihm stets gehorchen, das ist deine Pflicht. Befolge diese beiden Dinge unter allen Umständen, sonst wirst du leiden.« An jenem sonnigen Tag, als das Boot sie zu ihrer neuen Heimat trug und sie die überwältigenden Hügelkämme, die weiten gewellten Flächen von Sarum unter dem klaren blauen Himmel betrachtete, da schien es Katesh, als sollte der Rest ihres Lebens Opfer sein.
    In den Nächten, in denen der kleine Baumeister seine Frau mit aller Inbrunst liebte und dachte, daß sie von seiner Leidenschaft beeindruckt sein müsse, versuchte sie ihm ähnliche Gefühle vorzuspielen. Er war so stolz und hingerissen, daß es ihm gar nicht in den Sinn kam, seine junge Braut mache sich vielleicht gar nichts aus seiner leidenschaftlichen Zuwendung.
    Ein paarmal nahm er sie mit zum Henge, und sie bemerkte das belustigte Grinsen der Arbeiter und hörte die schlüpfrigen Witze, die sie sich zuflüsterten, während der krummbeinige Baumeister sie stolz herumführte; dabei verwünschte sie heimlich die Götter dafür, daß sie ihr einen Mann gegeben hatten, den sie nicht lieben konnte.
    Im Frühling des nächsten Jahres teilte Katesh Nooma mit, daß sie schwanger war.
    »Wann kommt das Baby?« fragte er voll freudiger Ungeduld.
    »Ich glaube, um den Tag der Wintersonnenwende.« Sie war froh, daß sie zumindest damit ihren Mann glücklich machen konnte.
    »Es wird ein Junge«, sagte er. »Ein guter Steinmetz.«
    In den folgenden Monaten verrichtete er frohen Herzens seine Arbeit; abends saß er stundenlang zufrieden in seiner Hütte und betrachtete voll stolzer Bewunderung den sich rundenden Bauch seiner jungen Frau.
    Im späten Herbst hatte man immer noch keine Nachricht von Omnic, und in all den Monaten fragte Krona immer drängender: »Wo ist meine Braut?«
    Obwohl ihm der Hohepriester versicherte: »Die Götter werden sie senden. Habe Geduld«, machte er sich allmählich selbst Sorgen. »Vielleicht ist Omnic ertrunken. Wir sollten einen anderen schicken«, schlug Krona düster vor. Und Dluc mußte zugeben, daß das Oberhaupt möglicherweise recht hatte. Die unheilvolle Wolke war wieder aufgezogen und schien sich auf Sarum niederzulassen.
    »Wenn am Tag der Wintersonnenwende noch keine Braut in Sicht ist«, sagte Dluc endlich, »werden wir weitere Priester aussenden. Du sollst vor der Mitte des Winters eine Frau haben.«
    Schließlich brach ein Sonnenstrahl durch die Dunkelheit. Omnic kehrte zurück – mit einer Braut.
    Sie fuhren den Fluß in einem großen, weiß gestrichenen Curragh herauf; es war zweimal so groß wie das Boot, in dem er in See gestochen war. Der weise Omnic hatte, getreu der bekannten Botschaft der Wahrsager, dem Mädchen nicht nur eine Goldkrone aufgesetzt, sondern ihr auch ein fein gewobenes, goldenes Netz übergelegt, das ihr bis auf den Rücken reichte. Sie stand am Schiffsbug, so daß alle Menschen in den Siedlungen am Fluß sie im Vorüberfahren deutlich sehen konnten. Omnic hatte vortrefflich gewählt. Das Mädchen war groß und schlank, hatte hohe Brüste und ernste graue Augen. Sie war zwar nicht schön – sie hatte eine große Nase und fleckige Haut –, aber sie war die Tochter eines irischen Stammesoberhauptes, der sich für eine beachtliche Summe von ihr getrennt hatte, und ihre Mutter und Großmutter hatten jeweils zwölf gesunde Kinder zur Welt gebracht.
    Omnic war gründlich

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