Sarum
Opfer bei sich – blieb Nooma zwei Monate lang im Steinbruch.
Als Tark den Weg heraufkam, nahm Katesh all ihren Mut zusammen, trat vor die Hütte und begrüßte ihn höflich. Er gab sich zurückhaltend. »Ich bringe eine Nachricht von Nooma. Er bleibt noch einen Monat im Steinbruch. Es gibt dort viel Arbeit.«
»Ich danke dir, Tark«, antwortete sie höflich, und wie es der Brauch verlangte, bot sie ihm zu essen und zu trinken an. Da Tark ihre Gedanken erriet, setzte er sich in einiger Entfernung von ihr nieder und sprach über allgemeine Dinge: den Henge, die Ereignisse im Hafen, die Gerüchte über Krona und seine Frauen.
Er verstand es geschickt, ihr Interesse zu wecken, bis sie ihre Zurückhaltung allmählich verlor. Sie unterhielten sich lange, und seine Antworten auf ihre Fragen schlugen sie in Bann. Die Schatten wurden schon länger, als er sich verabschiedete. Zwei Tage später kam er wieder. Diesmal war sie sogleich aufgeschlossener.
Wieder zwei Tage danach – es dämmerte gerade – hörte sie das schwache Geräusch seines Paddels und wußte, er würde kommen. Nachdem sie sich leidenschaftlich geküßt hatten und ins Haus gegangen waren, zögerte sie immer noch. Sie hatte das vorwurfsvolle Gesicht ihres Mannes vor Augen.
Wenn sie dies tat, wie sehr würde sie ihn verletzen! Und welch eine entsetzliche Strafe würden die Götter über sie verhängen? Zitternd wandte sie sich von Tark ab und wagte nicht, ihn anzusehen. Aber jetzt, da sie bereits so weit gegangen war, spürte sie, daß sie ihn mit schier unerträglicher Heftigkeit begehrte. Sie streifte ihre Kleider ab und wandte sich ihm mit einem kleinen Aufschrei zu: »Erlöse mich aus dieser Qual!«
Es wurde für Katesh ein Sommer voller Leidenschaft und ein ebensolcher Herbst, als Nooma wieder den Transport der Sarsensteine überwachte.
Sie lernte Tarks Körper kennen, sie verfiel ihm ganz und gar. Manchmal ließ die Furcht vor den Göttern und vor Entdeckung sie erzittern. Doch dann vergaß sie in der Erinnerung an die Zärtlichkeit ihres Liebhabers, an die Linie seines Nackens, an sein Lachen, seine schönen Augen und die sanfte Stimme alles andere. Tark war so anders als der kleine Steinmetz. Im Gegensatz zu Nooma war er ein erfahrener Liebhaber, der sich Zeit ließ. Wie zärtlich er doch ist, dachte sie, wenn er sie erspürte, sie neckte, sie ermutigte, immer wieder zu kommen. Sie sehnte sich danach, von ihm ein Kind zu empfangen, mit ihm übers Meer zu fliehen, aber sie wußte, daß es unmöglich war. Die Gefahr war zu groß. »Kronas Leute spionieren überall herum«, sagte sie. »Wenn wir gesehen werden und sie uns an die Priester verraten…«
»Ich bin vorsichtig«, versicherte Tark. »Niemand sieht uns.« Die Gesetze von Sarum bestimmten, daß eine Frau, deren Ehemann vor den Priestern ihre Untreue mit einem anderen nachweisen konnte, den Göttern geopfert wurde und der schuldige Mann dem Betrogenen eine hohe Summe bezahlen mußte.
Als der Steinmetz zurückkehrte, bemühte sie sich, Freude zu zeigen. Sie gab seinem Liebeswerben nach und versuchte ihn wie früher glücklich zu machen.
Mitunter wurde sie schier erdrückt von der Schuld, die sie durch die Beziehung zu Tark auf sich geladen hatte, und immer wieder nahm sie sich vor, die Sache zu beenden. Aber jedesmal, wenn Nooma fern war und sie Tark sah, schmolzen ihre Vorsätze dahin. Und zu Anfang des Winters entdeckte sie mit Schrecken, daß sie schwanger war. Nooma war schon einen Monat von zu Hause abwesend. Jetzt würden die Götter sie strafen! Sie weinte bitterlich, weil sie dem Steinmetz, der ihr in seiner unbeholfenen Art nur Gutes erwiesen hatte, solchen Schmerz zufügte. Und aus Angst: »Er wird mich den Priestern übergeben«, jammerte sie.
Doch Tark erklärte ihr, was sie zu tun hätte.
Am nächsten Tag sah Nooma zu seiner Überraschung den Freund über die Höhen kommen, und noch überraschter war er, als Tark ihn beiseite nahm. »Laß mich die Leute im Steinbruch beaufsichtigen«, sagte er. »Die Arbeit im Henge läuft schlecht. Sieh sofort nach dem Rechten, sonst beschweren sich am Ende die Priester.«
Dankbar für den Rat brach Nooma unverzüglich auf, und wenn er auch keine Anzeichen von Nachlässigkeit feststellte, die Grund zu der Beschwerde gaben, bemerkte er doch mehrere kleine Fehler und ließ sie berichtigen.
Zu Hause fand er Katesh ganz verändert vor. Auf einen solchen Empfang war er nicht vorbereitet gewesen. Zuerst brachte sie ihm wie üblich das Essen,
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