Sarum
sich bis zu den höchsten Staatsämtern emporgearbeitet. Bei all seiner Liebenswürdigkeit entging ihm nichts; und wenige Wochen nach seiner Ankunft stellte er in aller Stille einen Bericht zusammen, der die Provinz grundlegend verändern sollte. Davon hatte Porteus natürlich keine Ahnung.
Zu Beginn des Frühlings kam ein Brief von Lydia, den Porteus voller Freude las.
Kürzlich war die Tante eines der Mitarbeiter im Stab des Statthalters, Marcus Marcellinus, hier. Sie erzählte uns, welch hohe Meinung er und der Statthalter von Dir haben. Vater war sehr erfreut. Marcus hat Deinethalben nach Rom berichtet. Seine Tante zeigte mir ein Bild ihres Neffen, wie ich eines von Dir habe. Schreibe mir alles Wissenswerte über Dich und auch über Marcus.
Dies waren tatsächlich gute Nachrichten, und Porteus war seinem treuen Freund dankbar. Er schrieb Lydia sofort, berichtete ihr über seine weiteren Erfolge und auch viel Gutes über Marcus.
Zu dieser Zeit schlug der Statthalter in der unwirtlichen Kolonie Camulodunum, die Legionäre gerade wiederaufbauten, sein Lager auf. Eines Tages ließ er den jungen Porteus zu sich kommen und sagte kurz angebunden: »Du sollst einen Auftrag übernehmen.« Porteus war begeistert. Bis jetzt hatte er nur den Tribun oder einen der beneficam, persönliche Boten des Statthalters, begleitet. Endlich wurde ihm ein persönlicher Auftrag erteilt – eindeutig eine Möglichkeit, sich zu bewähren.
Der Auftrag war denkbar einfach: Er sollte mit einem Zenturio und achtzig Mann eine Inspektionsreise zu den kleineren Stammessiedlungen unter römischer Herrschaft im Nordwesten des Landes unternehmen; dort, nicht weit vom Gebiet der Deceangli, hatte es kürzlich Kämpfe gegeben.
»Sie haben keine Steuern gezahlt und sind möglicherweise Rebellen. Falls sie nicht sofort zahlen, lasse ihren Stammesführer töten und ihre Häuser niederbrennen«, ordnete der Statthalter an. Porteus wollte zuerst etwas dagegen sagen, schwieg dann aber. Es war seine erste Mission, und wenn er mit dem Statthalter einen Disput anfing, wäre es mit Sicherheit auch seine letzte. Er machte sich zum sofortigen Aufbruch bereit.
Zehn Tage später kamen sie an: Porteus, die achtzig Mann und ein älterer Zenturio, der bereits mehrmals unter Sueton gedient hatte. Er haßte die einheimische Bevölkerung.
Es war ein gottverlassener Winkel. Wie viele nordwestlichen Siedlungen damals war auch diese arm. Porteus fand nur verwahrloste Hütten vor, einen kleinen runden Schrein, zwei Viehgehege mit wenigen mageren, langhaarigen Tieren und ein paar kleine Gerstenfelder an den Hügeln. Auf dem offenen Land weideten viele kleine, stämmige Schafe. Er begutachtete die ganze Gegend sorgfältig.
Die Bevölkerung war spärlich; im Zentrum lebten dichtgedrängt etwa fünfhundert Menschen, weitere zweihundert hausten in verstreuten Gehöften an den Hügelausläufern. Am Ende seines Rundgangs sprach Porteus den Stammesführer an – einen älteren, grauhaarigen Mann in einem schweren Wollumhang. Er stand vor seinen gestikulierenden Leuten, die die Ankunft der Legionäre beobachtet hatten, und starrte den Römern trotzig entgegen. Porteus sagte schroff: »Ihr habt die euch zugemessene annona, die Getreideabgabe für das römische Heer, letztes Jahr nicht bezahlt.« Der Anführer zuckte wortlos die Schultern.
»Ihr habt den tributum soli und den tributum capitis – eure Land- und Kopfsteuer – nicht gezahlt«, fuhr Porteus fort. »Warum nicht?«
Der Mann sah ihn stumpf an. Schließlich fragte er: »Womit denn?«
»Ihr habt Gerste, Vieh, Schafe«, erwiderte Porteus streng. »Wir können nicht zahlen. Das siehst du doch selbst, Römer. Euer Kaiser ist zu habgierig«, war die Antwort.
»Nirgends in der Siedlung steht eine Statue des göttlichen Kaisers«, brummte der Zenturio. »Und der Tempel gehört einer hiesigen Gottheit, die wir nicht kennen.«
Dies war ebenfalls eine ernst zu nehmende Angelegenheit. Die seltsame Figur mit Kapuze, die der Zenturio in dem kleinen Schrein gefunden hatte, hielt eine Schlange in der einen und einen Raben in der anderen Hand; sie hatte offensichtlich nichts mit einer römischen Gottheit zu tun.
»Aufrührer«, murmelte er. »Am besten legen wir das Ganze hier in Schutt und Asche.«
Aber Porteus schüttelte den Kopf. Es hatte doch keinen Sinn, diese armseligen Menschen zu vernichten. Außerdem waren die von dem Prokurator Decius bemessenen Steuern offensichtlich zu hoch; sie beliefen sich auf mehr als die
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