Sarum
entgegenzunehmen.
Assistent des stellvertretenden Prokurators! Das war nichts als eine zweitrangige Schreibarbeit. Und Sorviodunum! Dort war er noch nie gewesen. Er wußte nur, daß es eine Zwischenstation an einer Straßenkreuzung war – ein gottverlassenes Nest.
Als er die zwei unpersönlichen Dokumente anstarrte, wurde ihm mit Schaudern bewußt, was sie bedeuteten – und auch, daß er nichts dagegen tun konnte.
Sueton hatte das Problem Porteus einfach perfekt gelöst: Indem er ihn in das Amt des Prokurators versetzte, entfernte er ihn ganz aus seinem Umkreis und steckte ihn ins feindliche Lager, wo er hingehörte. Selbst wenn Porteus’ Ansichten je bekannt würden, würde man annehmen, daß er sie kundtat, weil er entweder dem Prokurator schmeicheln oder sich am Statthalter wegen seiner Entlassung rächen wollte. Und dadurch, daß er eine dringende Botschaft nach London sandte, in der er den jungen Mann wärmstens für eine Stelle irgendwo weitab vom Schuß vorschlug, stellte Sueton sicher, daß die Untersuchungskommission ihn nicht zu Gesicht bekam. Ohne dies alles im einzelnen zu verstehen, begriff Porteus, daß man ihn kaltstellte.
»Was soll ich bloß tun?« fragte er Marcus, der in diesem Fall tatsächlich ratlos war.
Die Folgen waren für Porteus eindeutig: Gracchus würde ihn als Versager betrachten; er würde Lydia verlieren; für seine Eltern wäre es eine Schande. Er sah keinen Ausweg.
»Ich habe auch eine Neuigkeit«, sagte Marcus schließlich. »Ich soll ein Jahr in Rom verbringen und reise übermorgen. Es tut mir leid, daß ich dich so zurücklassen muß, aber vielleicht zeigt sich ja noch ein Hoffnungsschimmer.« Er lächelte Porteus ermutigend zu. Für ihn ist es einfach, dachte Porteus. Er macht seinen Weg. »Laß es mich wissen, wenn ich irgend etwas für dich tun kann«, sagte Marcus beim Abschied.
Den Rest des Tages traf Porteus Reise Vorbereitungen. Er ordnete seine Angelegenheiten und schrieb einen langen Brief an Lydia, in dem er sie bat, auf ihn zu warten, während er versuchen wollte, seine Karriere zu retten. Es war ein tapferer Brief, der so endete:
Ich hoffe, daß alles sich noch zum Guten wendet und daß ich in Ehren aus dieser Provinz zurückkehre. Marcus wird Dir von mir berichten.
Er gab Marcus den Brief mit der Bitte, ihn in Rom Lydia zu überbringen.
»Berichte ihr Gutes über mich«, bat er, »und sage ihrem Vater, daß ich mich ehrenvoll verhalten habe. Außer dir habe ich niemanden, dem ich vertrauen kann.«
Marcus nahm den Brief leicht verlegen entgegen. »Ich werde tun, was ich kann«, versprach er.
Und damit gingen die beiden Männer auseinander. Am Abend wollte Porteus sich von Sueton verabschieden, doch dieser weigerte sich, ihn zu empfangen. Und so ritt er bei Anbruch der Dunkelheit langsam und traurig die Straße nach Londinium entlang. Am Hafen von Londinium zerbrachen seine letzten Hoffnungen. Er hatte gedacht, er könnte wenigstens auf den Prokurator einen guten Eindruck machen, damit der in Rom ein Wort für ihn einlege. In. Hauptquartier des Prokurators stellte sich jedoch heraus, daß Classicianus sich im Norden aufhielt und erst in mehreren Wochen zurückkehren würde.
»Du sollst sofort nach Sorviodunum aufbrechen«, war die lapidare Auskunft des Sekretärs. »So verlangt es der Statthalter. Der Prokurator weiß nichts von dir, und wahrscheinlich wirst du ihn erst nächstes Jahr sehen.«
Erst da begriff Porteus die folgenschwere Maßnahme des Sueton. »Was wird meine Aufgabe in Sorviodunum sein?« fragte er. Der Sekretär zuckte die Achseln. »Es gibt dort einige kaiserliche Anwesen, die du überwachen sollst – eine Routinearbeit«, fügte er hinzu. »Beeile dich bitte, du wirst morgen dort erwartet.« Sorviodunum: ein Ort, den es eigentlich gar nicht gab. Porteus: ein junger Römer, der laut Verwaltungsbeschluß vergessen werden sollte. In dieser Nacht wurde ihm der Zusammenbruch seiner Karriere deutlich bewußt, auch wenn er den Grund für die Ungnade noch nicht kannte. Vorderhand blieb ihm nichts übrig, als sich zu dem verlassenen Posten zu begeben.
Seit der Eroberung war das Leben nicht gerade sanft mit Tosutigus umgesprungen, und im Rückblick waren einige Erinnerungen äußerst schmerzlich.
Nach dem Abzug Vespasians hatte der junge Herrscher gespannt darauf gewartet, daß etwas geschehe. Bald erreichten ihn Nachrichten aus dem Südwesten: Alle paar Tage erfuhr man, daß eine weitere Hügelfestung gefallen war.
»Das also sind die
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