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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Verlust – fast eine halbe Legion von vier auf der Insel stationierten –, den er schwer verkraften konnte; nach außen hin zeigte er seine Besorgnis nicht, sondern setzte den Marsch unbeirrt fort.
    Die zweite Katastrophe ereignete sich am fünften Tag, als sie die Stadt Verulamium erreichten, eine kleine Siedlung mit kümmerlicher Verteidigung, die leicht durchbrochen werden konnte. Hier wollte der Statthalter auf die Garnison der II. Legion von Glevum treffen, um gemeinsam nach Londinium zu marschieren; als jedoch die Kavallerietruppe eintraf, war kein Zeichen von ihnen zu sehen. »Wo, beim Styx, steckt die Garnison von Glevum?« brüllte er. Er wandte sich gereizt an Agricola, den hübschen Militärtribun. »Wer führt dort den Befehl?«
    »Zur Zeit der Präfekt Poenius Postumus«, antwortete Agricola rasch. »Ich befahl ihnen, hier auf mich zu warten«, polterte Sueton. »Ziehen wir weiter nach Londinium! Vielleicht können wir dort etwas tun. Hoffentlich holen sie uns ein«, meinte er schließlich. Und die erschöpfte Truppe zog ostwärts zum Hafen.
    Am nächsten Morgen erreichten sie Londinium. Obwohl es kein Verwaltungszentrum wie Camulodunum mit dem Status einer colonia war, hatte es sich bereits zu einem aufstrebenden Ort entwickelt. Am Fluß entstanden Lagerhallen und dahinter die Häuser der Kaufleute an den schlammigen Straßen. Im Gegensatz zu den meisten römischen Siedlungen wurden die Gebäude noch vorwiegend aus Holz, nicht aus Stein oder Ziegel gebaut. Es war ein lebhafter, ungeregelter Ort. Als Porteus die Lage prüfte, war ihm klar, daß man Londinium nicht verteidigen konnte. Ein paar Truppen befanden sich in den Depots; aber keine Spur von der II. Legion. Der Statthalter wartete mit seinen kleinen Streitkräften den ganzen Tag vergeblich, während die Berichte von draußen laufend schlechter wurden. Der kaiserliche Tempel in Camulodunum war dem Erdboden gleichgemacht, die Kolonie niedergebrannt und jeder römische oder romfreundliche Einwohner getötet worden. Boudiccas Horde war jetzt auf dem Weg nach London, fünfzig-, sechzig-, vielleicht siebzigtausend Mann stark. Die Kaufleute und ihre Familien rotteten sich verängstigt um das Depot zusammen, wo der Statthalter mit seinen Leuten wartete.
    »Du mußt die Lagerhäuser retten und unsere Familien schützen«, riefen sie.
    »Wie denn?« fragte Sueton ärgerlich. Gegen Abend verkündete er: »Wir ziehen ab. Hier können wir nichts ausrichten. Sagt diesen Menschen, sie sollen irgendwohin fliehen, sonst werden sie massakriert.«
    Dann wendete er sein Pferd und ritt nach Verulamium zurück. Von der II. Legion war immer noch nichts zu sehen, aber in der folgenden Nacht bemerkten sie am südöstlichen Horizont einen roten Schein und wußten, daß Londinium brannte. Vor Morgengrauen erreichte sie die Nachricht, daß die mächtige Horde in ihre Richtung vorrückte.
    »Rettet euch«, rief Sueton den Menschen von Verulamium zu. »Ich kann es nicht tun.« Wieder bewegte sich der Kavalleriezug auf der Suche nach Verstärkung die Straße zurück; erneut stand in dieser Nacht das schreckliche rote Glühen am Horizont.
    »Verulamium muß nun auch dran glauben«, flüsterte Porteus Marcus zu. Diesmal hatte selbst Marcus eine sorgenvolle Miene. Am nächsten Morgen trafen die XIV und XX. Legion von Mona ein. Sie hatten die zweihundert Meilen in Gewaltmärschen zurückgelegt und trugen schwer an ihrer Ausrüstung, aber diese Truppen waren kampfgestählt und einsatzbereit.
    »Und jetzt«, sagte Sueton zu seinen Männern, »sollen sie uns kennenlernen.«
    Der Kampf, der zwei Tage später stattfand, war eines der härtesten, unbarmherzigsten Gemetzel, die sich jemals auf der Insel abgespielt haben. Sueton aber bewies wieder einmal, daß er trotz all seiner Fehler ein großartiger Feldherr war.
    Die Römer waren weit in der Minderzahl. Die beiden nun vereinten Legionen verfügten über etwa siebentausend Mann. Ihnen stand eine sieggewohnte Horde – zehn- bis zwanzigmal so groß – gegenüber, entschlossen, den Feind nicht nur zu schlagen, sondern ihn bis auf den letzten Mann zu vernichten und der römischen Macht in der Provinz für immer ein Ende zu machen. Mit einem weniger fähigen General konfrontiert, hätten sie ihr Ziel erreichen können.
    Sueton hatte Zeit, das Gelände auszuwählen, und er entschied sich für einen langen, schmalen Hohlweg an einem sanften Abhang; auf der Höhe des Abhangs und zu beiden Seiten standen Wälder. Umsichtig plante er die

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