Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
erhalten, mit Nachrichten, die seine eigenen Motive gegenüber Porteus unklar ließen. Da er sich jetzt nicht entscheiden wollte, zögerte er die Sache durch sorgfältiges Nachdenken hinaus.
    »Wenn du das tust, könnte es ernste Folgen für dich haben«, meinte er vorsichtig. »Möglicherweise, aber was bleibt mir sonst übrig?« Marcus blickte den jungen Mann mitfühlend an. Er hatte Porteus gern und mußte seine Ehrlichkeit und seinen Mut rückhaltlos bewundern. »Tu, was du für richtig hältst, Porteus«, sagte er ernst. »Du bist ein Ehrenmann – und auch mutig«, fügte er hinzu.
    Porteus dankte ihm warm, ging in sein Quartier zurück und machte sich an die Vorbereitung seiner Unterredung mit Sueton. Unglücklicherweise fehlte ihm an diesem entscheidenden Punkt seines Lebens eine äußerst wichtige Information: Die Frage der Fehlpolitik des Statthalters in der neuen Provinz war bereits von mächtigeren Instanzen aufgegriffen worden. Nach sorgfältiger Prüfung der Belange der Provinz war der neue Prokurator Classicianus über die Zerstörungen auf der einst blühenden Insel entsetzt gewesen.
    »Wenn das so weitergeht«, entschied er, »müssen wir froh sein, wenn wir in ein paar Jahren überhaupt noch Steuern erheben können. Diese Unterdrückung muß umgehend aufhören.«
    Er hatte von seinem offiziellen Recht Gebrauch gemacht, seinen eigenen unabhängigen Bericht nach Rom zu senden – ein Dokument, das den Statthalter in einem Maß verurteilte, wie es sich Porteus nie hätte träumen lassen.
    Bei Erhalt des Berichts geriet Nero außer sich vor Wut. Eine Abordnung aus Rom sollte an Ort und Stelle Suetons Verwaltungsmethoden untersuchen – das war die einzig korrekte Vorgehensweise. Sueton tobte. Fast hätte er Porteus gar nicht empfangen, aber in der Meinung, er hätte die banale Angelegenheit rasch hinter sich, ließ er ihn rufen. Der junge Mann trat selbstsicher herein, sein offenes Gesicht ließ nicht ahnen, daß er im Begriff war, eine Explosion auszulösen.
    »Nun, Porteus, machen wir’s kurz«, brummte Sueton gereizt. Porteus hatte seine Rede gedanklich und inhaltlich sorgfältig vorbereitet und trug sie respektvoll vor. Eindeutige Beispiele zeigten die Fehlerhaftigkeit der Rachestrategie auf, und er machte praktische Vorschläge für eine neue versöhnlichere Politik. Es war eine in jeder Hinsicht ausgezeichnete Rede – aber sie enthielt kein einziges Wort, das der Statthalter hätte hören wollen. Während Porteus sprach, schlug der Ärger des Gouverneurs in Zorn um, doch er verzog keine Miene. Porteus ahnte nichts. Am Ende wartete er vertrauensvoll auf die Antwort des Statthalters.
    Sueton hüllte sich eine Weile in Schweigen und ließ seine Augen ausdruckslos auf dem unverschämten jungen Mann ruhen, der ihn soeben herausgefordert hatte. Erst hatte der Prokurator eine Kampagne gegen ihn gestartet, und jetzt entdeckte er einen Verräter in den eigenen Reihen. Aus seiner langjährigen Erfahrung wußte der Statthalter, wie man mit Verrätern verfährt: Sie müssen mit einem einzigen Schlag unschädlich gemacht und vernichtet werden – und dieser Schlag muß ganz unvermutet erfolgen. Daher blieb sein Gesicht eine undurchdringliche Maske, während er nachdachte.
    Eines war ihm sofort klar: Porteus durfte seine Ansichten keinesfalls der Untersuchungskommission mitteilen und genausowenig irgend jemandem aus dem eigenen Stab; ihn nach Rom zu schicken und darauf zu warten, daß er Gracchus aufhetzte, kam auch nicht in Frage. Nein, es bedurfte einer ganz anderen Maßnahme, und die fand er sogleich. Endlich sprach er.
    »Ich danke dir für den wertvollen Ratschlag; es wird davon Kenntnis genommen.« Er nickte Porteus förmlich zu und entließ ihn kühl. Porteus entging das Warnsignal völlig. Am nächsten Tag kam der Schlag. Nachmittags brachte ihm Marcus eine amtliche Note des Statthalters. Sie lautete kurz:
C. Porteus Maximus wird ab sofort in den Stab des Prokurators versetzt.
Porteus rätselte, was das bedeuten sollte. »Weißt du davon?« fragte er Marcus.
    Dieser schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist man der Ansicht, du solltest im Finanzwesen Erfahrung sammeln; es könnte ein gutes Zeichen sein«, meinte er unsicher. »Da ist noch ein Schreiben«, fuhr er fort. Dieses war vom Sekretär des Prokurators in Londinium.
    Du bist zum Assistenten des stellvertretenden Prokurators ernannt. Deine erste Stellung wird in Sorviodunum sein. Mache Dich sofort dorthin auf, um weitere Anweisungen

Weitere Kostenlose Bücher