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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Überraschung blieb Suetons Gesicht steinern. »Tötet sie alle.«
    Bei dieser Schlacht entkam fast keiner der Aufständischen. Boudicca ist mit Sicherheit tot. Der Statthalter wollte nicht, daß wir die Toten zählen, aber Marcus und ich glauben, daß es mehr als siebzigtausend waren.
    Wir zogen nach Verulamium, dann weiter nach Londinium. Von beiden Orten war nichts mehr übrig außer verkohlter Erde, als hätten die Rebellen alle Häuser niedergebrannt und wären auf den Resten herumgetrampelt. Ich hätte niemals gedacht, daß große Orte wie Londinium so restlos zerstört werden könnten. Alle Einwohner waren niedergemetzelt.
    Was unsere eigenen Leute anbelangt, so ist der Prokurator Decianus Catus nach Gallien geflüchtet, und wir müssen sein Amt neu besetzen; am beschämendsten aber war das Verhalten des Präfekten, der die II. Legion in Glevum befehligte. Er hörte von der Niederlage der IX. mißachtete den Befehl des Statthalters und blieb feig in seiner Garnison. Kein Wunder, daß wir ihn nicht trafen! Als er von unserem Sieg über Boudicca hörte, stürzte er sich in sein Schwert. Jetzt rächt sich der Statthalter an der gesamten Insel. Dissidenten werden abgeschlachtet. Sueton sagt, es gebe nur die Wahl: absoluten Gehorsam oder Tod. Und das ist sein Ernst.
    Diesen Brief sandte Porteus seinen Eltern aus dem zerstörten Londinium. Seine Gefühle für den Statthalter waren zwiespältig. Er hatte die Besonnenheit und Feldherrnkunst des alten Soldaten während des Aufstandes bewundern gelernt: Hätte Sueton nur einen einzigen Fehler begangen, wäre mit Sicherheit jeder römische Soldat in der Provinz bei der nachfolgenden Massenrebellion umgebracht worden. Daher schuldete er Sueton die Anerkennung als Soldat. Aber von der Herrschaft des Terrors war er abgestoßen, der folgte, als der Statthalter die Ruinen des Hafens von Londinium und der römischen Kolonie Camulodunum sah, seine Faust ballte und schrie: »Jetzt sollen sie die römische Rache kennenlernen!«
    Im ganzen Land töteten die Römer nach Belieben und beschlagnahmten Besitz als Akt einer von der Verwaltung diktierten Bestrafung. Wie von Sueton beabsichtigt, mußten sich die Inselbewohner unterwerfen. Militärisch gesehen war das die richtige Maßnahme, sie machte die neue Provinz jedoch ärmer und glückloser als je zuvor. »Der Statthalter ist ein großartiger Soldat«, gab Porteus Marcus gegenüber eines Tages zu, »aber er zerstört diese Provinz. Die Bevölkerung fürchtet uns, sie traut uns nicht.«
    »Vielleicht hast du recht«, antwortete sein Freund, »obwohl ich es eigentlich nicht glaube. Jedenfalls ist niemand deiner Meinung. Die Legionen stehen auf Suetons Seite, und was ich so höre, würde der Kaiser die ganze Provinz am liebsten in Ketten legen.«
    »Das ist falsch«, beharrte Porteus.
    »Dann hast du um so mehr Grund, dich still zu verhalten. Sei vernünftig, Porteus: Vergiß das Ganze, und tu nur deine Pflicht!«
    Wäre Porteus klüger gewesen, hätte er diesen guten Rat als Leitspruch über seine weitere Laufbahn gestellt. Die Angelegenheit wollte ihm jedoch nicht aus dem Kopf.
    In mancher Hinsicht hatte er Erfolg zu verzeichnen. Sueton, der von Porteus’ Ansichten nichts wußte, hielt nach der Revolte große Stücke auf ihn. Er übertrug ihm verschiedene Aufgaben, unter anderem schickte er ihn in Begleitung des Tribunen Agricola nach Norden, in die nun verlassene Garnison der IX. Legion Lindum. Er berichtete seinen Eltern von den Ereignissen, sandte Gracchus einen respektvollen Brief, und an Lydia schrieb er:
Ich glaube, der Statthalter ist mit mir zufrieden, und in einem Jahr wird auch Dein Vater mit meiner Karriere einverstanden sein.
Gegen Ende des Winters, es lag noch Schnee, erschien eine neue bedeutende Persönlichkeit auf der Insel. Es war ein großer Mann mittleren Alters, mit einem schmalen freundlichen Gesicht und sich lichtendem Haar. Porteus bemerkte zwei Eigenheiten an ihm: Er beugte sich herab, wenn er mit jemandem sprach, und wenn er schwieg, wanderten seine Augen oft in die Ferne, als träumte er von einem fernen Ort. Es war Julius Classicianus, der neue Prokurator, der den in Unehre entlassenen Decianus Catus ersetzte. Die gesamten Finanzen der Insel lagen in seiner Obhut. Im römischen System der Gewaltenteilung unterstand er unmittelbar dem Kaiser.
    Classicianus gehörte dem kleinen Provinzadel an und war aus der Stadt Trier an der Mosel gebürtig. Durch seine große Klugheit, gepaart mit Ehrlichkeit, hatte er

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