Sarum
stolzen Durotrigen«, murmelte Tosutigus mit grimmiger Genugtuung; bald darauf war er sicher, daß seine Übergabe der Düne und die Abtretung seiner Ländereien ein Meisterstück der Diplomatie gewesen waren.
Gegen Ende des Sommers war Vespasians Feldzug vorüber. Der Herbst verging ohne Neuigkeiten.
Schnee fiel – in Sarum herrschte Ruhe. Das Rund der Düne lag kalt und verlassen. Jeden Tag erklomm Tosutigus die hohen Wälle und suchte den Horizont nach Anzeichen der heißersehnten römischen Boten ab. Den ganzen langen Winter hindurch veränderte sich die Lage nicht. Bei der Schneeschmelze sah Tosutigus an den Kreidehängen der Düne junges Gras sprießen. Der Fluß schwoll an, der Frühling begann, und die Bewohner von Sarum machten sich an die Arbeit.
Erst ein Jahr nach Vespasians Besuch nahte eine kleine Menschengruppe von Nordosten her dem Hochland: ein großer bleicher Mann mittleren Alters auf einem kleinen Pferd, sechs Sklaven und sechs Legionäre. Die Gruppe kam langsam, mit häufigen Pausen, auf die Düne zu. Erwartungsvoll ritt Tosutigus ihnen entgegen. Aus der Nähe sah er, daß zwei Sklaven Pfosten mit gekreuzten Balken darauf trugen, an deren vier Enden Bleischnüre hingen.
»Wir sind Landvermesser«, sagte der bleiche Mann. »Wichtige Straßen werden durch dieses Gebiet führen.«
Die Landvermesser begutachteten die Düne sorgfältig und gingen dann den Abhang zum Fluß hinunter.
»Über den Fluß soll eine Straße führen«, sagte der bleiche Mann, »und eine neue Siedlung wird gebaut.« Er wies auf ein Stück Land am Ufer. Eine neue Siedlung! Die Augen des jungen Herrschers leuchteten. Also hatten die Römer Wichtiges mit dem Ort vor. »Nur eine Zwischenstation, eine mansio«, fuhr der Landvermesser fort. Aber Tosutigus hörte nicht zu. Er sah bereits eine weitläufige Stadt vor sich – und sich als Herrscher.
Zwei Monate später kamen die Straßenbauer, eine Zenturie, eine Hundertschaft, mit einem Zenturio. Jeder trug zusätzlich zu seiner Ausrüstung einen Spaten.
Sie arbeiteten erstaunlich rasch. Auf dem markierten Gelände am Fluß wurde ein Erdwall aufgeschüttet, als sollte ein abgegrenztes Militärlager entstehen. Von der Mitte her legten sie eine einzige schmale Straße mit beidseitig je drei quadratischen Feldern an, so daß ein Raster entstand. Mehr geschah nicht; es gab kein Forum, kein Amtsgebäude, keinen Tempel, nur ein paar bescheidene Grundstücke für Stallgebäude, ein Wächterhaus und ein paar einfache Wohnhäuser. An einer Ecke wurde ein rechteckiges Stück für einen eingegrenzten Obstgarten ausgespart.
Die Arbeit wurde in weniger als zwei Tagen ausgeführt; danach sagte der Zenturio nur: »Und das ist nun Sorviodunum.« Aber selbst diese primitive Anlage sah für Tosutigus vielversprechend aus. »Wir brauchen Straßenbauer«, sagte der Zenturio, »habt ihr Leute dafür?«
Froh, sich nützlich erweisen zu können, stellte Tosutigus sofort fünfzig Mann bereit, einschließlich Numex, der aufbegehrte: »Ich bin doch ein Zimmermann!«
»Du sollst den römischen Straßenbau erlernen«, entgegnete der Herrscher, »dann kannst du mir besser nützen.« Er wußte nur zu gut, daß Numex sich rasch die handwerklichen Fähigkeiten der Römer aneignen und Sarum und seinem Herrscher in Zukunft damit Ehre machen würde.
Tosutigus verfolgte voller Staunen den Fortgang der Arbeiten. Die erste Hauptstraße lief über das Hochland nach Nordosten und sollte geradewegs von der Düne zum gut achtzig Meilen entfernten Hafen von Londinium führen.
Zuerst hoben die Männer zwei parallele Gräben aus, in knapp dreißig Meter Entfernung voneinander, und häuften die Erde in der Mitte zu einer erhöhten Chaussee an, etwa acht Meter breit. Dies war der berühmte erhöhte agger. Obenauf schütteten sie Kalk, eine Handspanne hoch und nach den Seiten hin abschüssig, so daß das Wasser von der Straße ablaufen konnte. Sodann holten sie wagenweise Feuerstein aus Steinbrüchen in der Umgebung, diese Steine legten die Legionäre auf den Kalk: Jeden Stein paßten sie sorgfältig mit der Hand ein, sieben bis zehn Zentimeter tief, und füllten die Zwischenräume mit Kalk aus, so daß eine glatte Oberfläche entstand. Schließlich schichteten sie fünfzehn Zentimeter Kies darüber und stampften ihn fest.
So hat Sorviodunum in Zukunft Verbindung zu allen Orten der Insel, dachte Tosutigus zufrieden.
Am Fluß Avon unten bauten die Soldaten einen Steindamm durch das Flußbett und beschichteten ihn, so
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