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Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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daß eine künstliche Furt entstand. »Warum baut ihr keine Brücke?« fragte er.
    »Brücken können zerstört werden«, antwortete der Zenturio bissig. »Furten kann man nicht so leicht aufbrechen.« Die Straße über den Fluß führte südwestwärts ins Land der Durotrigen. Tosutigus beobachtete fasziniert, wie die Römer in den nächsten zwei Monaten hölzerne Unterbauten in den flachen Moorboden legten, darüber die Straße befestigten und sie im Zickzack den steilen Hügel auf der anderen Seite hochführten.
    Denn über das Hügelland der stolzen Durotrigen führten die Römer in gerader Linie südwestlich von Sarum eine Straße, die in ihrer Vollkommenheit erst zweitausend Jahre später von den Eisenbahnlinien erreicht werden sollte. Zwischen den tiefen Gräben war der agger – der Damm – fast zwanzig Meter breit und zwei Meter hoch. Sie zog sich über dreißig Meilen weg bis ins Kernland der Durotrigen und von dort zur Küste hin.
    Diese mächtige Straße wurde unter dem Namen Ackling Dyke bekannt. Sie machte den Inselbewohnern deutlich, daß ihre Hügelfestungen erobert waren und die Römer das Land ungehindert nach allen Richtungen passieren konnten.
    Tosutigus konnte sich vor Staunen nicht fassen. Zum erstenmal begriff er die Größe Roms.
    In diesem Winter endlich sandte der Statthalter einen Mann aus seinem Stab mit näheren Informationen. Ein Angestellter aus dem Amt des Prokurators begleitete ihn. Er kam gleich zur Sache. »Dieses Gebiet wird nun erschlossen«, sagte er zu Tosutigus. »Der Statthalter hat beschlossen, dich für deine Mithilfe zu belohnen.« Endlich! Darauf hatte er gewartet. »Über welches Gebiet soll ich herrschen?« fragte er eifrig.
    Der Mann runzelte die Stirn. Was meinte dieser junge Kelte? Er ignorierte die Frage und fuhr fort: »Das gesamte Land der Durotrigen bleibt unter militärischer Bewachung. Lediglich Sorviodunum wird Teil eines neues Vasallenkönigreiches, das sich sechzig Meilen nach Osten erstreckt.«
    Tosutigus erbleichte: Dieses große, herrliche Land hatten die Atrebaten auf der Höhe ihrer Macht erobert! »Ich soll also König dieses Landes werden?«
    »König?« Der Römer glaubte nicht recht gehört zu haben. Es war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, daß Tosutigus an eine Herrscherposition gedacht haben könnte, und er bemerkte nicht, welch schrecklicher Täuschung sich der junge Stammesfürst hingab. Ungerührt fuhr er fort: »Der neue König aller Atrebaten ist der Stammesführer Cogidubnus – er ist ab jetzt dein König. In Anerkennung deiner Schenkung an den Kaiser bist zu zeit deines Lebens aller Steuern auf deine Ländereien enthoben – sowohl der annona als auch der Kopfsteuer.«
    Tosutigus starrte ihn an und erfaßte erst allmählich den Sinn der Worte. Natürlich hatte er schon von Cogidubnus gehört – ein romfreundliches Stammeshaupt der Atrebaten mit Ländereien im fernen Südosten. »Er ist mein König? Und wo herrsche ich?«
    »Nirgends.«
    »Ist er römischer Bürger?«
    »Der Kaiser gewährte ihm die Staatsbürgerschaft.«
    »Und mir?«
    »Dir nicht.«
    »Was bin ich denn? Welchen Status habe ich?« fragte Tosutigus enttäuscht.
    »Peregrinus: ein Eingesessener.«
    »Ist das – außer der Steuerbefreiung – alles, was ich habe?«
    »Alles.«
    Tosutigus hätte wissen müssen, daß die Römer bei der Gründung einer neuen Provinz immer auf diese Weise verfuhren und daß er tatsächlich gut dabei weggekommen war.
    In weiser Voraussicht behielt der Statthalter im Gebiet der aufrührerischen Durotrigen eine militärische Zone bei und belohnte die Atrebaten für ihre lange Freundschaft, indem er ihnen zumindest für eine bestimmte Zeit ihre Ländereien zurückgab. Dadurch hatten Militär und Verwaltung freie Hand für die Unterwerfung der Stämme im Norden und Westen der Insel. Zu dieser Zeit bauten die Legionäre jene große Straße, den Fosse Way, die vom westlichen Teil der besiegten durotrigischen Länder in nordöstlicher Diagonale über die ganze Südhälfte der Insel verlief. Von hier aus wollten sie weiter vorrücken. Zu gegebener Zeit sollten sowohl das Vasallenkönigreich der Atrebaten als auch die militärische Zone im Südwesten aufgelöst werden, jedoch erst eine Generation später. Dann würde es Provinzhauptstädte geben, Ratsversammlungen und eingesessene Beamte mit der Möglichkeit, die begehrte römische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Daß Tosutigus, ein junger, unbekannter Stammesfürst, nicht in der Militärzone leben

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