Satan - Retter der Welt
eine besonders gute Flasche Wein brauchte, hätte ich keine Freiheit gefunden. Ich glaube nicht, dass ich sie je finden werde. Die interessantere Frage ist, wie man mit der Gefangenschaft zurechtkommt.«
Ein triumphierendes Grinsen erhellte Seths Gesicht. »Ah. So bist du schließlich doch deines Vaters Kind.« »Und du nicht?«
»Ich habe die Freiheit gefunden.«
»Und auf dein Grab wird man schreiben, dass du frei und glücklich gestorben bist. Ganz sicher.« »Ob man mir ein Denkmal setzen wird?« »Ich kriege bestimmt keins«, meinte Sam leichthin. »Sie sollten mir eins setzen. Ich habe versucht, die Dinge zu ändern. Wir haben alle so viel Angst vor Veränderung. Das Universum der Zeit funktioniert gut, sagen wir. Warum sollten wir ein neues System ausprobieren wollen? Uranos ist nicht das Ende, weißt du. Er ist ein Neubeginn.«
»Ist das derselbe Uranos, der sich Thors bemächtigt hat und mich auf zwei Stellen zugleich verteilen wollte?«
Seth hörte ihm gar nicht zu. Seine Augen hatten das Glühen eines Wahnsinnigen. »Man hat uns immer gesagt, Uranos sei das Ende von allem, aber das stimmt nicht. Er ist das Ende von allem, wie wir es kennen. Ein Gefangener hat nach langer Zeit manchmal Angst, das Gefängnis zu verlassen, weil er nichts über die Welt draußen weiß. Nicht weiß, wie wunderbar sie sein kann. Das Gefängnis ist alles, was er kennt. Das Gefängnis ist alles, was er bis zu seinem Tode kennen will. Sobald er aus dem Gefängnis ist, wird er ein Verbrechen begehen, weil die Welt so groß und weit und voller Möglichkeiten ist, dass er sich nicht traut, ihr ins Auge zu blicken. Weil er Angst hat.«
»Hattest du eine glückliche Kindheit?«, fragte Sam unvermittelt. »Du hast da nämlich dieses nervöse Zucken im Augenwinkel ...«
»Warum setzt du das Licht nicht ein, Lucifer?« Sam sagte nichts. Das schien Seth aufzuheitern. »Ah. Du entgleitest bereits, ist es nicht so? Du erinnerst dich an Dinge, die dir nie widerfahren sind, fühlst Dinge, die du nie gefühlt hast, nennst dich mit Namen, die nicht die deinen sind, denkst Gedanken, die in einem anderen Geist geboren wurden. Du bist nur ein unbedeutender Funke in einem Feuer. Du bist ein Steinchen im Ozean. Und du weißt es besser als irgendwer sonst, denn du hast den Ozean gesehen. Du hast die große weite Welt gesehen, und wie der Gefangene hast du Angst.«
Sie standen ein paar Meter auseinander. »Seth«, sagte Sam, »ich glaube nicht, dass dies der Beginn einer wunderbaren Freundschaft ist.« Seths Grinsen wurde breiter. »Ich auch nicht.« Es war die alte Routine. Stoß, Parade, Hieb, Finte, Ducken, vorwärts und rückwärts hüpfen wie ein Moriskentänzer auf heißen Kohlen, nach einer Öffnung suchen, sich allein des regelmäßigen Rhythmus bewusst. Klack, klack, zisch, kratz, klack. Es gab keine Magie, keine Spezialeffekte, kein Wutgeschrei, kein Fluchen und kein Beten. Nur die endlose Monotonie, eins, zwei, eins, zwei.
Sam kämpfte ohne ein wirkliches Ziel und ohne wirkliche Leidenschaft. Er fühlte sich so müde, körperlich und geistig, dass er kaum etwas anderes wahrnahm als das Gewicht seiner Arme und das Kratzen seines Atems, der sich seinen Weg die Kehle hinab bahnte. Er wusste nicht, warum er sich überhaupt noch abmühte. Eins, zwei, Finte nach links, Hieb nach rechts, Klingenbindung, hoch, Parade in die Mitte, Drehung, Ausfall, Drehung, Stoß, eins, zwei. Er fühlte sich völlig losgelöst. Es war nicht er, der da focht, es war jemand anders. Es war nicht er am Rande des Todes, es war jemand anders. Es war nicht er, der für etwas tanzte, an das er nicht glaubte, mit einem Partner, der genauso gern mit Schlangen tanzte wie mit seinesgleichen. Er
hatte sein ganzes Leben lang getanzt, und seine Schritte setzten sich nun automatisch. Er fragte sich, ob er den Verstand verlor. Er fragte sich, ob es für einen Weltenwandler überhaupt möglich war, verrückt zu werden, oder ob ihre Gehirne durch einen sadistischen Zug des Schicksals so verdrahtet waren, dass sie nicht durchdrehen konnten. Er blickte auf Seth und dachte mit einem Seufzen, dass der Wahnsinn wahrscheinlich auch die Großen befallen konnte. Erfragte sich, ob er selbst wohl in diese Kategorie fiel.
Eins, zwei, Ausfall, Parade, Riposte. Diverse Grundbewegungen, die in England gelehrt, in Frankreich vervollkommnet, in Russland unterlaufen und in China erweitert worden waren. Hundert Grundbewegungen aus hundert verschiedenen Ländern wurden gegen Seth vorgebracht.
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