Satanskuss (German Edition)
konzentrieren.
Wann hatte ihn zuletzt eine Frau interessiert? Nicht nur als Objekt seiner Begierde, sondern auch als Persönlichkeit die ihm Interesse und Gefühle entgegenbrachte? Es schien eine Ewigkeit her zu sein.
Nachdenklich stand Simon auf. Und sah sich nach einem Anhaltspunkt um. Nach etwas, das ihm sagte, wo die junge Frau war oder wie sie aussehen mochte.
Mit einem Lächeln quittierte er den Umstand, dass Ariel ihm etwas zu essen und zu trinken neben das Bett gestellt hatte. – Obwohl sie jeden Grund hat, dich zur Hölle zu wünschen!
Sein Blick blieb an dem Bett hängen, auf das sie ihn gebettet hatte. Er bückte sich und beäugte die Konstruktion. Bisher hatte er solche Betten nur auf Zeichnungen gesehen – Raffaels Zeichnungen.
Entweder hatte er ihr eines geschenkt, oder sie eines nachgebaut. Er runzelte die Stirn und prüfte die Konstruktion, die mit Hilfe von Flaschenzügen und Rollen funktionierte und ein gleichmäßiges Heben und Senken des Bettes ermöglichte. Etwas, was in den Häusern für Kranke sicher bald für Furore sorgen würde. Genial!
Sein Blick fiel auf ein kleines Bücherbord.
Wie nicht anders zu erwarten, stand dort eine katholische Bibel in lateinischer Schrift. Die anderen Bücher jedoch überraschten, und fanden sich allesamt auf der katholischen Liste der verbotenen Bücher wieder – oder würden bald auf ihr landen:
Luthers Schriften, inklusive einer Bibelübersetzung in die deutsche Sprache stand friedlich neben „Ceres der Fatalist und sein Herr“ von dem Freimauer Denis Diderot. Eine Ausgabe von Jean-Ceres Rosseaus` „Discours sur I´Inégalité“ aus dem Jahr 1755 schmiegte sich zwischen Voltaires „Lettres philosophiques“ und „Traité sur la tolerance“, während John Lockes „Essay Concerning Human Understanding“ aus dem Jahr 1689 ein wenig abseits stand und gemeinsam mit Immanuel Kants „Kritik der praktischen Vernunft“ das Ganze von der Seite stütze.
Simon schüttelte verwirrt den Kopf. Entweder sprach Ariel italienisch, Latein, Deutsch, Französisch und Englisch und war sehr belesen – so belesen, wie Simon es nur von der obersten Bildungsschicht und dann meist auch nur von Männern gewohnt war, – oder sie verwahrte einige Bücher für Raffael auf.
Auf jeden Fall schienen ihr die möglichen Konsequenzen egal zu sein, denn außer der ersten Ausgabe der New Yorker Times und dem gezeichneten Bild des ersten Dampfschiffes würde jedes einzelne dieser Bücher für ihre Exkommunion reichen. Die Frau ist nicht nur in Gefahr, sie ist auch eine Gefahr!
Frustriert von dem verwirrenden Bild, was er sich von Ariel machen musste, ging Simon nach Draußen. Er konnte sich nicht daran erinnern, wie sich ihre Aura angefühlt hatte, konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern, ob er sie überhaupt geprüft hatte; was ihm ein neuerliches Auffinden seiner Zielperson deutlich erschweren würde.
Wie ein naiver Bengel hast du dich von einer sinnlichen Stimme ablenken lassen! Und war einer Versuchung erlegen, über die er jetzt nur noch müde lächeln konnte. Eine gebildete Nonne, die auf Sanktionen der Kirche pfiff. Lächerlich! Wahrscheinlich war sie die ganze Aufregung in ihm sowieso nicht wert. Aber welcher Mensch ist das schon? Frustriert seufzte Simon.
Das Kloster war noch ebenso leer, wie bei seiner ersten Durchsuchung. Doch vor dem Haupteingang stieß er endlich auf die gesuchten Bewohner.
Zwei dampfende Kessel mit dickflüssiger Suppe köchelten auf offenen Flammen und warteten darauf, von hilfsbereiten Nonnen in die Tassen, Teller oder sonstigen Behälter geschöpft zu werden, die die Bedürftigen ihnen entgegenhielten.
Zwei weitere Nonnen schnitten Brot und reichten es an die zerlumpten Männer und Frauen, die sich in einer langen Schlange drängten, während Kinder von einer Frau in behelfsmäßiger Novizinnentracht aus der Menge gesucht und ohne Umwege nach Vorne geschickt wurden.
Eine zeitlang beobachtete Simon das graue Treiben und fragte sich, ob seine Nonne unter ihnen oder ob sie geflohen war. Vielleicht ist sie inzwischen bei Ceres, Raffaels Partner, um sich über Neuigkeiten zu informieren.
Er schüttelte den Kopf und damit den Gedanken ab. Ariel hatte ihn weiterversorgt, obwohl sie gerade von Raffaels Tod erfahren hatte. Trotz ihrer Trauer und inneren Aufruhr hatte sie ihre Aufgabe erfüllt. Folglich würde Ariel auch hier bleiben und zumindest noch bei der Armenspeisung helfen.
Simon ließ einen nachdenklichen Blick über die Nonnen
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