Satanskuss (German Edition)
Reichweite.
Simon blinzelte. Selten gab es eine Frau, die ihm freiwillig so nah kam. – Zumindest, wenn sie nicht durchaus eindeutige Absichten hatte. – Und sich dann auch noch auf die Zehenspitzen stellte, um das Objekt ihres Interesses besser sehen zu können.
„Das ist nicht möglich!“, murmelte die junge Novizin leise und der Hauch ihres Atems streifte sein Gesicht.
Simon atmete tief ein, um Ariels Duft tief in sich aufzunehmen und sich an ihn zu erinnern.
Irritiert sah sie ihn an, ihre Wangen hatten sich gerötet, als habe sie seine Gedanken gelesen. Dann kehrte ihr Blick wieder zu seinen Augen zurück.
Ariel wusste, dass es unhöflich war, einem Fremden so nahe zu kommen und ihn so unverfroren zu untersuchen. Trotzdem konnte sie nicht anders. Es war nicht nur Sorge, die sie trieb, sondern auch Neugierde.
Entweder sie hatte sich in ihrer Diagnose getäuscht, das Mittel besser gewirkt, als sie je vermutet hätte, oder ihr Opfer hatte unglaubliches Heilfleisch.
Sie löste den Blick von Simons Augen und trat einen Schritt zurück. Erst jetzt bemerkte sie, wie er sie taxierte. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, wenn sie ihn weiter ansah, könne sie in seinen wasserblauen Augen ertrinken oder ihm bis in die Seele schauen.
Eine Gänsehaut prickelte auf ihrem Rücken und nur mit Mühe verhinderte Ariel das Schütteln ihres ganzen Körpers. Sie unterdrückte die plötzlich aufkommende und unbegründete Panik, und wandte sich wieder den Bildern zu, um Simon zu ignorieren.
Genauso, wie sie Ceres weitgehend ignorierte, nachdem sie begriffen hatte, dass er sich schon eine Meinung über sie zusammengereimt hatte.
„Steht irgendetwas davon in dem Brief?“, erkundigte sich Simon.
„Welchem Brief?“ Ariel drehte sich abrupt zu ihm. Sie wirkte erschüttert und Simon musste sich zusammenreißen, um die Novizin nicht einer Lüge zu bezichtigen. Aber Ceres kam ihm zuvor. „Raffael hat dir vorgestern einen Brief geschrieben und ihn abgeschickt, bevor er losgegangen ist!“
„Ich habe keinen Brief von ihm bekommen!“, murmelte die junge Frau und blickte zu Boden. Dann sah sie mit gerunzelter Stirn auf. „Ich habe noch nie einen Brief von ihm bekommen!“
Ariel scheint sich über Ceres affektierten Tonfall genauso zu ärgern, wie ich , dachte Simon mit einem Lächeln.
„Bist du dir sicher?“ Ceres Stimme war schneidend.
Simons Blicke huschten von ihr zu ihm. Was zwischen den beiden vor sich ging, hatte nichts mit ihm oder diesem Fall zu tun, es war viel persönlicherer Natur. Und das, obwohl sich die beiden, wie er von Ceres wusste, eben zum ersten Mal begegnet waren.
„Ja!“ Ariel verdrehte ihre Bernsteinaugen.
„Denk nach!“, forderte Ceres sie eindringlich auf. „Es ist das letzte, was wir von Raffael haben. Und vielleicht die letzte Information, die wir benötigen, um den Mörder zu enttarnen!“ Er deutete mit dem Kinn in Richtung der Skizzen. Horrorbilder, die das Grauen darstellten, welches Ceres und sein Partner Raffael sich jeden Tag ansehen mussten, übel zugerichtete Leichen mit aufgeschnittenen Kehlen.
Kein Anblick für eine Novizin. Simons Mundwinkel zuckten. Ungerührt hing Ariels Blick wieder an den Bildern.
Simon schüttelte den Kopf, um seine unerklärliche Faszination zu verneinen. War Ariels Äußeres nur eine Fassade, ertrug sie Leid und Tod mit solcher Gleichmut? Er fragte sich, wie sie reagieren würde, wenn sie es leibhaftig sehen würde. Wenn sie dem Mörder gegenüber stehen würde, um festzustellen, dass alles, woran sie glaubte, wahr war.
„Ausschließlich Männer“, fasste Ariel laut zusammen, „verschiedene Altersklassen und Bildungsschichten.“
Ceres lachte höhnisch. Er goss sich Rotwein nach. „Woher willst du das anhand der Bilder erkennen, Liebchen?“
Ariel hob eine Augenbraue hoch und verzichtete auf eine Entgegnung. Allein Simon konnte nicht widerstehen. „Liebchen?!“
Doch Ceres reagierte nicht, sondern starrte weiterhin an Simon vorbei auf die junge Frau. Simon drehte sich zu ihr um und beobachtete, wie sie ihre Haube abnahm und zur Seite legte.
„Jules Heilmann, Tabakhändler!“, meinte die Novizin und strich langsam einige Haarsträhnen, die sich aus dem Haarnetz gelöst hatte, wieder nach hinten. Dabei zeigte sie auf ein Bild.
Ariel schien sich ihrer Wirkung auf die beiden Männer nicht bewusst zu sein. Beide starrten sie mit einer Mischung aus Faszination und Gier an.
Simon hatte sich als erster wieder gefangen und riss seinen
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