Satt Sauber Sicher
man hinwill. Man muss noch diverse Treppenstufen bewältigen, die ein Herzrasen verursachen. Man hört schon elitäres Stimmengewirr. Die Meute. Der Mob. Alle am Abgehen. Möglichst laut dabei.
Die Frauen stehen vor einer Tür im vierten Stock eines destruktiven Neubaus. Brittas Zeigefinger fasst Ingos Namen an. Hinter der Tür die Menschen. Die Gefühle einer Nacht. Der Rausch. Getränke und die Wohltat, das Wissen zu haben, nicht unbedingt am Leben bleiben zu müssen. Linda und Britta wird die Tür aufgemacht und sie sehen genau das. Das Fest. Es ist angerichtet. Schritte durch die Pforte und mitten im Zentrum der unzensierten Dramatik des Nackt- und Nachtlebens.
Dann ist da die Party. Ein dekadentes Wohnzimmer umgebaut zur Disco. Gut gefüllt mit Leibern. Die Körper machen Lärm, dazwischen zucken Licht und Musik. Technobässe vermeiden Stille, vermeiden Denken. Sind nur da, die Bässe und auf die Fresse. Die Folge der Schläge leert Gehirne. Das tut gut, Britta und Linda kommen an und blicken in die Menge. Ingos Party. In Ingos Wohnung, umgebaut als Club der Gestörten. Und die Gestörten sind alle hier und tanzen. Da ist eine kleine Bar. Da sollte mensch erstmal hingelangen. Linda und Britta sehen, wo es Getränke gibt und bewegen sich dahin. Sie lesen ein Schild, Ingos Kinderhandschrift hat einen Pseudogag hinterlassen. "Cocktaillabor: Menschenversuche mit Alkohol", steht da in mutiger Männerschönschrift. Die Mädels amüsieren sich über Ingos nicht vorhandenen Humor. Stehen dann vor dem Tresen und fragen sich, welchen Alkohol man am entspanntesten mit Kokain mixen kann. Bestellen sich Cocktails, weil eh alles egal und eh alles schon zu spät ist und eine Laune herüberschwebt, die klassische Anarchie beinhaltet. Das saugen die beiden auf durch bunte Strohhalme. Alkoholisierte Anarchie. Jeder Gedanke ist egal. Das ist gut so. Es wird ein wenig assimiliert. Gleichschaltung der Emotionen. Körper im Bassrausch. Spastiker tanzen. Dann kommt Ingo. Auf seinem Gesicht ein perverses Sammelumkleideintimitätsgrinsen. Also ein deformiertes Lächeln, das nur ein Kontaktgestörter auf seinem Gesicht spazieren führen kann.
Ingo beginnt die Unterhaltung überfallartig. "Moin Mädels! Schön, dass ihr da seid. Rockt wohl, oder? Habt ihr schon mein witziges Schild an der Bar gesehen?" Er deutet auf ein golden eingerahmtes weißes Pappschild mit seiner langatmigen Gagübertragungsrate. Britta würde gern irgendwas dazu sagen, aber aufgrund ihres Konsums ist sie momentan sprachbehindert. Ihre taube Zunge fühlt sich an, als hätte sie ein pflichtbewusster Handwerker an ihrem Gaumen festgenagelt. Linda hingegen ist es gewohnt, in diesen Geisteszuständen Kommunikation zu betreiben. "Geht klar, Ingo, gutes Fest. Feine Gäste hast du dir mal wieder eingeladen. Alle breit, wa? Ja, ja und ein witziges Schild, mein Bester." Linda hat wohl alle Poesie über Bord geworfen. Ihr Blick hat kaum mehr eine Richtung, die Sprache aber fällt buchstabenweise wie ein Selbstverständnis zur Selbstverständigung aus ihrem Gesicht. Alles zum Entsetzen von Ingo. "Ich mag es nicht, wenn du so plump bist. Das kannst du vielleicht in deinem Pornoladen sein, aber hier is' Party mit Stil, you know?" "I know. Fred schon da?" Ingo blickt durch die Menge, als ob er durch das Rund eines riesigen Fußballstadions blickt. "Noch nicht gesehen den Meister. Er plant da wieder was. Neues Filmprojekt." Er deutet in einer maximal coolen Fingerzeiggeste auf Britta. "Deswegen wollte er dich noch sprechen." Britta ist aber immer noch auf der Suche nach ihrem Sprachzentrum. In ihrem Kopf nur würzlose Buchstabensuppe, die einfach nicht über die Zunge gleiten will. Aber sie nickt zum Zeichen des Verständnisses und um nicht ganz als dichte Prinzessin verschrien zu sein, obwohl jeder ihre suppentassengroßen Augen sehen kann. Ihr Blick spricht die eindeutige Sprache von kolumbianischen Kristallen sowie eindeutigem Nichtklarkommen mit sich und dem Gedankenaufwand in sich. Ingo aber ignoriert das, er performt wieder mal den Selbstdarsteller, den Alleinunterhalter, den Clown für Stunden, in denen man sich Clowngeschnetzeltes wünscht. Er hebt an, einen Witz zu bringen. Einen Witz! Auf einer Party! Wie eigenartig ist das denn.
"Ach, kennt ihr schon den, also hahaha, der ist ja so super." Er testet, ob es möglich ist, mit billigem Humor billige Frauen zu beeindrucken und zwar soweit, dass diese eventuell Interesse an Küssen aus seinem fauligen Mund entwickeln
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