Satt Sauber Sicher
hattest dugrad Sex, Baby, du klingst so frisch gebumst ohne Liebe. Da klingelt eine Melodie in deiner Stimme ...", analysiert die Linda ins Blaue hinein. "Hugo!", antwortet Britta kurz und damit kennt auch Linda die Quelle der vaginalen Freudenspende. Die Pornoqueen lächelt ein wenig stumm in den Telefonhörer und nickt verständnislos. "Lass das doch demnächst die Männer erledigen, dafür sind sie doch unsere Untertanen, unsere Spieler auf dem Feld der sexuellen Mittelmäßigkeit." So eine scharfe Analyse hätte Britta Linda gar nicht zugetraut. Diese fährt aber fort und fragt nach Details der Abendgestaltung. "Ach so, heute Abend ist ja Ingos Party, krümmelweise Zuversicht im Dickicht der Geschändeten." Linda muss voller Drogen sein, so poetisch, wie sie abgeht. Sie fährt aber in diesem Stil fort. "Wann gedenken wir beide denn die Reise in die Nacht anzutreten, um die Erhabenheit des Highseins mit Nasen und Mägen und allem was dazugehört in unser Universum einzulassen." Britta antwortet stumpf wie eine ungeschliffene Sense: "Neun los. Vorher Sektchen bei mir. Und komm mal runter von dem Koks." Sie spürt, dass sich plakative Doofheit und Drogenkonsum nur so zu einer Katastrophe oder massiven Peinlichkeit addieren können. "Bring ich mit und noch was anderes. Bin dann um sieben bei dir. Hatte einen harten Tag mit harten Schwänzen, aber Ingos Partys sind ja die Staatsempfänge des Kleinkunstschrotts und deswegen so gut." Lindas Poesie wird unerträglich für Britta. "Ist gut, Baby, bis später." Sie würde ihr gerne empfehlen, sich noch 'ne Stunde hinzulegen, aber bei dieser künstlichen Aufgedrehtheit klingt das nach Unmöglichkeit. Britta drückt Linda weg, die dumme, glückliche Linda, die mit ihrem Geficktwerden, Vergewaltigt- und Gelecktwerden ihr Leben kalkuliert. Ihre Beifall klatschenden Schamlippen in Großaufnahme sind für die Linda kein Problem. Dabei ist die dumme, glückliche Linda so froh wie kaum ein zweiter Mensch, den die Britta kennt. Hat halt wenig Ansprüche, die Gute, denkt Britta und schenkt sich Kaffee nach. Aberso ein Leben zu akzeptieren, hieße aufzugeben. Einfach nur noch Körper sein und keine Seele mehr und kein Charakter mehr, den die Britta doch darstellen mag. Charakterdarstellung ist für die Britta ein so tiefes und ausdrucksstarkes Wort. Darstellen könnte sie so viel, wenn man sie nur ließe. Sie hat so viele Gefühle in sich und ihr eigenes Leben reicht dafür nicht aus, all diese Gefühle zu publizieren. Ja, Britta denkt tatsächlich das Wort "publizieren", ihre Gefühle einer Öffentlichkeit zu präsentieren, dieser Gedanke macht in ihr Spannung.
Dann stellt Britta was Dummes an, nämlich den Fernseher. Die kleine Sehnsuchtsmaschine fängt an zu ticken. Da drin will Britta ihr Gesicht sehen und Verrenkungen machen, die Preise verdienen. Schauspielerische Leistungen werden mit neidvollen Blicken und einer Menge Geld gewürdigt. Das alles will die Britta. Dann auf Preisverleihungen stehen und meinetwegen auch den Eltern danken, dem tollen Team, den exzellenten Drehbuchautoren, dem endgeilen Kameramann und dem depressiven Beleuchter und natürlich meinen Mann, der ja heute Abend zur Preisverleihung nicht erscheinen konnte, weil die dreijährige Tochter Fieber hat. Jörg, ich liebe dich. Und dann den handlichen Preis unter unterdrückten Tränen hochheben. Beifall wird es geben. Die Menschen erheben sich, klatschen so, als wäre diese Tätigkeit morgen verboten. Wer ist Jörg? Lediglich ein Name, der eine Sehnsucht projiziert. Wie grau dieses Gefühl doch ist, wo eigentlich rot-orange-gelb schimmernde Emotionsgeilheit hingehört.
Macht das TV-Ding also an, die Britta, um ein wenig Zerstreuung oder Betäubung zu finden. Das Vorabendprogramm stottert sich in Brittas Wohnzimmer. Da sabbeln Talkshowgäste über ihre Probleme beim Sein, außerdem gibt es gewichtslose Gerichtssendungen mit erdachten Fällen und Justizpersonal so unreal wie die Liebe. Die Angeklagten werden angekackt und sind es später nie gewesen.
Immer ist die Gesellschaft schuld. Soll die doch mal jemand verhaften. Lebenslänglich für das Unwort des Jahrhunderts: Gesellschaft. Du Schwein. Du Hure. Du Pfandflaschensammler.
Britta geht es durch den Fernsehkonsum auch nicht anders, sie wird nur unruhig vom zappeligen Zappen. Die Zeit plätschert ins unaufgeräumte Dreckswohnzimmer und nimmt sich ein Stück von Brittas Leben. Knabbert an ihrer Existenz und lutscht ihre Gedanken rund. Außerdem werden im TV
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