Satt Sauber Sicher
there's nothing left to learn from the point of no return you're leaving hey hey I saved the world today everybody's happy now the bad thing's gone away everybody's happy now the good thing's here to stay/please let it stay ...
Oh weh, oh weltschmerzlerische Ausgeburt in dieser dahingehauchten Popsauerei. Frau Lennox kann doch viel mehr. Da müsste noch einiges gehen. Der Song wird aber zu Ende gespielt. Wenn jetzt noch Pur oder Genesis kommt, ist der Abend aber noch mehr im Arsch als ohnehin schon. Der DJ ist dabei, einen Abend enden zu lassen. Man muss diesen Abend beziehungsweise das Lokal nicht mal verlassen, damit er zu Ende geht, das erledigt der Abendversauungsangestellte am CDSchubfach. Emotionsspastiker, denkt Britta. Vera denkt wenig, ihr ist die Musik egal. Sie konzentriert sich aufs Trinken. Da kommt aber keinerlei Genuss auf bei der Trinksituation. Vornehmlich wird durch das Zuführen von alkoholisierter Flüssigkeit Rausch gesucht. Urlaub in Alkoholien. Aber dann kommt der Plattenmann doch noch zu allgemeiner und auch zu spezieller Anerkennung: Chemical Brothers Hey Boy Hey Girl David Bowie Heroes Air Kelly watch the stars Die Ärzte Zu spät Wie schnell doch so was geht und wie schnell sich eine Träne im Auge beim Zuhören eines Liedes verlieren kann, bei dessen Erscheinen man noch Kind war. Der Abend läuft, Zeit vergeht und verkommt, dumpfes Licht regiert den Raum, ohne Helligkeit zu versprühen, der DJ fühlt sich maßlos erfolgreich, weil die dummen Menschen tanzen, weil sie nicht wissen, was sie sonst in einem blöden Club tun sollen. Immer nur rumstehen, geht ja auch nicht. Britta guckt. Vera trinkt. Verzweiflung und Niedertracht. Aber die Musik bleibt weiter beständig independent klassisch. Besoffene Freude macht sich breit.
Beastie Boys Fight for your right (to party) Sex Pistols God save the Queen Mötorhead The Ace of Spades Prodigy Smack my bitch up Der DJ in Anstrengung, was kann man noch bringen? Eine solche Nacht verlangt nach:Horque Dancelegs and Musclecat (Frühstücks-Remix) Johnny Cash Walk the line Sisters of Mercy Temple of Love (die Tanzversion von 1992) U2 Sunday bloody Sunday Vera. Britta. Die alleingelassene Verzweiflung. Hormoneller Aufstand. Was zu tun? Wohin der Blick, wo er nicht nur wehtut?
Die beiden Frauen auf der Suche. Nichts hat Bestand. Beide mussten etwas aus der Hand geben. Beide ein Stück Leben entbehren. Beide schmeißen jetzt und hier ihre Zeit weg. Das tut gut. Beiden. In der Musik fühlt sich Vera wie vierzehn, Britta hingegen wie ungeboren beziehungsweise nicht existent. So sehen sie Tanzenden zu und trinken, was zu trinken geht. Da steht ein junger Mann und tanzt mit seiner Bierflasche. Die Zärtlichkeit, mit der er sie umklammert hält, würde er wahrscheinlich niemals einer Frau zu Teil werden lassen. Der junge Mann tanzt im Takt der Verzweiflung und jeder hier weiß: Die Liebe ist ein Massengrab.
Vera an der Bar. Sieht jungen Menschen beim Tanzen zu. Sieht, wie sich ihre perfekten Leiber so jung und so schön im Tanz bezwingen. Ficktanzparade überall und Vera steht nur daneben und bestellt sich Schnaps, damit die Zeit schneller vorbeigeht, alle Uhren schneller ticken. Vera will nicht spüren, dass sie alt ist. Sie ist noch nicht mal vierzig. Die Jugend tanzt. Vera guckt. Keiner guckt Vera an. In Vera macht der Schnaps Gedanken, die sagen: Gar nicht gut. Trotzdem Schnaps.
Britta ist losgegangen, um zu vergessen. Um etwas mental zu begraben. Schauspielern will sie nicht mehr. Zu oft ist sie damit frontalauf den Kopf gefallen. Sie war drei Wochen im Krankenhaus wegen Dreharbeiten zu einem Independent-Film, der auch noch gefloppt hat. So eine Snuff-Scheiße, in die sie reingeraten ist auf einer Party. Ihr besoffenes Vertrauen wurde ausgenutzt und sie und ihr Körper wurden für einen Standardvergewaltigungskackfilm, der sich auch noch damit rühmt, "so nah am Leben wie möglich zu sein", regelrecht kaputtgeschlagen. Überall, auf allen Ebenen, bis runter in die Tiefen der Seele ging dieser perverse Scheißfilm. Wer schaut sich denn so was an? Verzweifelte junge Menschen etwa? Machtbesessene Kapitalsammler? Kampfjetpiloten auf Heimaturlaub? Ein Drecksfilm, der einfach nur eine miese Geschichte erzählt. Beschissenes Durchdrehbuch. Schmerzen, kein Scherz, nur Schmerzen. Und Hass auf die Verantwortlichen und auf die eigene Naivität. Der Selbsthass ist wohl das Schlimmste, was Brittas leichter Zerris-senheitsseele widerfahren ist. Beim Spiegelblick in
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