Satt Sauber Sicher
brennendeStriemen zufügten. Unter den Wahnsinnsaugen der Eltern, die damals einfach nur in einer hilflosen Suppe aus Unkenntnis und zwei kleinen Nervblagen und einem Haufen Schulden wegen des Hausbaus rumschwammen.
Es war für ihn und seinen Bruder anstrengend so zu leben. Es gab echt häufig Überforderungskloppe. Die Eltern rechtfertigten sich mit dem Nervfaktor, der von den Geräuschen gewöhnlicher, gesunder Kinder produziert wird. Roland und sein Bruder waren Opfer eines unausgeloteten Familiensystems. Mutter immer frustriert, Vater immer arbeiten. Am Wochenende gab es Familienspaß, bis Mutter entnervt das Spielen aufgab und sich einer Flasche Wodka und einem der drei Fernsehkanäle widmete. Der Vater war dann unterwegs. Und Roland kannte ihn, wie er stotternd, stolpernd und lallend zurückkehrte nach Hause. Mit einem Geruch, der Roland bis heute in der Nase liegt. Schlecht brennende Zigaretten, die einem sofort die Beine abfaulen lassen, mixed with unzähligen Bieren, Schnäpsen und Vaterkotze. Immer die Diskrepanz von Flügel oder Prügel.
Eine weitere Erinnerung an seinen Vater war das Über-dem-Essen- Einschlafen. Es riecht nach gebratenem Irgendwas in der Küche, die Bildzeitung, die mit dem guten Sportteil, liegt auf des Vaters Schoß und sein Kopf neben dem dampfenden Teller. So oft konnte er nicht mehr wach sein der Liebe wegen. Deswegen ging er arbeiten, bis er nicht mehr konnte. Bis sein Körper so kaputt war, dass er nur noch die Rückfahrt schaffte. Roland wurde beim Anblick des schlafenden Vaters neben dem Teller immer ganz traurig, aber es war eine verständnisvolle Traurigkeit in ihm.
Noch eine Erinnerung waren "Wassersparmaßnahmen". Der Vater und Roland in der Badewanne. Der Vater albern, müde oder besoffen. Spielte mit Roland ein Spiel, das hieß "Kleiner Popo - großer Popo".
Das Spiel war irgendwie seltsam, fand Roland. Man musste seinen kleinen Popo und seinen großen Popo dem Vater zeigen, der dieses Zeigen mit einem Lächeln quittierte. Roland musste dann irgendwann den "kleinen Popo" seines Vaters in die Hand nehmen, während dieser einen Zeigefinger in den "großen Popo" seines Sohnes steckte. Das dauerte dann immer 'ne Zeit, bis dann irgendwann der Vater zitterte und sagte, dass man jetzt genug gebadet habe und alle jetzt sauber seien. Nie fragte Roland seinen großen Bruder, ob der das Spiel mit den Popos auch kannte, weil das Spiel einfach nicht schön war.
Roland fuhr vierjährig mit seinem Dreirad die Einfahrt des Elternhauses runter. Schob es hoch und ließ sich runterrollen. Unermüdlich. Oben im Haus machte sein vier Jahre älterer Bruder Hausaufgaben. Eine überforderte Mutter schrie ihn an. Mathematisches Versagen beiderseits an einfachen Subtraktionstextaufgaben. Roland fuhr und fuhr, schob und ließ sich rollen. Das Dreirad als Symbol einer möglichen Flucht aus dem Elternhaus. Manchmal war das Rausgehen für Roland und das Verbrennen seiner Haut in der Mittagssonne einfach der allerbeste Moment seiner Kindheit. Draußen hatte er sein Buschklo, sein Dreirad und die Gedanken, dass die Familie da oben sitzt und atmend nicht weiter weiß. Roland wusste, dass seine Eltern mit der Erziehung von ihm und seinem Bruder überfordert waren. Sie hatten beide keine Geduld, nur Liebe und das reichte nicht, um jemandem den Weg zu zeigen, der klein, dumm und ängstlich ist wie Roland.
Roland ist über diese Erinnerungen in Trance geraten. Er hat seine beiden Eltern lange nicht gesehen. Aber an das Spiel mit dem Vater und an das Dreirad erinnert er sich detailgetreu. Das war ein Abriss seiner abgerissenen Kindheit in Armut, Sorge und eben ganz gewöhnlicher Kindlichkeit.
Roland ist müde. Morgen ist Arzt. Jetzt ist Schlaf. Roland in Angst, weil wer weiß schon, was in Rolands verrücktem Körper so los ist.
Ein bisschen Krebs, irgendwas Bakterielles, vielleicht sogar Aids vom Nuttenficken? Aber normalerweise benutzt er dafür Kondome, aber es kann ja mal sein, dass man da so drankommt an dieses Aids trotz allem Vorsichtigsein.
Roland hat sich ins Bett gelegt und versucht, in seinen Körper zu denken. Wie sieht es da drinnen wohl aus? Wie gefährlich ist eigentlich Blutkacken? So gefährlich wie Blutkotzen? Auf jeden Fall ist Roland froh, sich für die Kontrolle seiner Gesundheit entschieden zu haben. Wird schon gut ausgehen, denkt der Roland. Danach geht das Leben einfach so weiter, denkt er noch. Und gleitet in einen Schlaf mit Traum. Ein wenig Fieber hat sich seiner angenommen
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