Satt Sauber Sicher
und erhöht seine Gesamtkörpertemperatur.
Der Traum erobert den Menschen im Schlaf: ein freier Tag (wie lächerlich unrealistisch eigentlich). Ein Gang durch den Park. Der freie Blick auf den See. Tretboottouristen treten Boote, Brotschmiertouristen schmieren Brote. Die stille Idylle. Familien erziehen Kinder. Kinder spielen Verstecken, Paare an sich rum. Der Roland geht da durch und ist vollkommen sehnsuchtsfrei. Setzt sich an einen Steg und starrt den See an. Der liegt flach da rum, oben etwas gewellt, und starrt zurück. Roland sieht ein Tretbootkind kentern. Das Boot fällt um, das Kind unter Wasser. Roland guckt da hin. Das Kind ganz lange unter Wasser. Das Kind ewig unter Wasser. Roland emotionslos. Starrt das treibende Boot an. Das Kind unter Wasser. Niemand außer ihm hat das gesehen. Er guckt weiter. Irgendwann kommt das Kind wieder hoch. Ganz weiß, ganz leicht, ganz tot. Es treibt auf Roland zu. Kommt immer näher, der schwimmende Kinderkörper. Die leichte Leiche treibt. Das Gesicht unter Wasser und der Rest hängt so runter. Schwimmt aber. Auf Roland zu. Der guckt das nur an. Das Kind ist ganz nah, der Tod ist ganz nah. Dann klopft der Kinderkopf an einen Pfahl des Stegs, auf dem Roland sitzt und nichts fühlt. Die Leichedreht sich und Roland erkennt sein Gesicht. Er als Kind. Er als toter Kinderkörper treibt auf der Wasseroberfläche. Roland guckt das an im Traum, steht auf, geht weg, holt sich ein Eis und setzt sich auf eine Parkbank. Da drin, nichts mehr. Herzleer. Ein Stück Beton in seiner Brust juckt. Er kratzt sich und vergisst. Leckt Eis und vergisst. Wacht dann kurz auf, ganz verplant, weiß nicht, was das soll, dass ihn seine Träume foltern. Schläft ganz zärtlich und ängstlich wieder ein und ein weiterer Traum gleitet in sein Bewusstsein.
Er, der Roland, sitzt als Kind mit seinem Vater in einer stinkenden Kneipe und isst weiße Mäuse aus Plastik, dazu Cola, die an den Zähnen schmerzt. Für die meisten Menschen in diesem Drecksetablissement stinkt es nicht, sondern riecht es nach Gewohnheit und der Heimat der Arbeiterklasse. Roland kaut die ihm anvertraute Süßigkeit. Sein Vater sitzt direkt neben ihm und daneben zwei hochgradig betrunkene Krassdrauflinge, die irgendwo im Dorf leben und zwei Arbeiter aus der Baufirma seines Vaters, die sich gegenseitig mit Geschichten aus Superlativen informieren. Dazu Bier von einem Schielauge flink serviert. Es war ein Sonntagvormittag im August, wird es Roland plötzlich von hinten bewusst. Und weiterhin, dass er gerade die Realität nachträumt, denn so ist es gewesen. Der Roland, das Kind unter Männern in Deutschland. Gefangen in Befangenheit. Der Traum ist der Vorfilm des Erwachens.
"Leute, der Helmut hat gesagt, die Belastung ist mehr geworden", knallt der Bier zapfende Augenakrobat in die Runde. Diese allgemeinen Politfloskeln kommen bei seinem Publikum immer gut an und regen Aufgeregtheit und damit verbundenen Bierkonsum an. Ein Arbeitskollege seines Vaters mischt sich ein: "Zwei Pils, für Heini auch eins. Ja, scheiß die Wand an. Die Sau, die blöde. Eine reinschlagen. Kanzleramt kaputtmachen." Eine Gewaltoffensive des besoffenen Arbeitervolkes folgt auf diese Aussage, dann wieder Stilleund leises Feuerzeugaufflackern und Sauggeräusche von Mündern an Bierglasrändern. Einer dieser Dorfassis, ein kaputter, stinkender Mann mit einer langen Narbe vom Auge bis zum Kinn wird, ungeachtet der Gegenwart eines Kindes, primitiv sexuell. "Ich war ja letztens in diesem neuen Asiabordell und da gehen Sachen ab, Leute, unglaublich. Die Thaifotzen, die sind ja ..." Die beiden Arbeitskollegen seines Vaters blicken trüb von ihren Gläsern auf und Geschichten über Prostitution scheint es noch nicht genug gegeben zu haben. "Erzähl!" Die Aufforderung der beiden Arbeiter geht mehr in die Richtung: "Los, stimulier unsere Fantasien, damit wir endlich auch wieder bei unseren fetten Frauen Erektionen bekommen oder zumindest das Wichsen wieder ein Ziel verfolgt ...". Der mitgebrachte Freund des Bordellbesuchers mischt sich kurzfristig ein, während er mit Feuerzeug und Zigarette herumfuchtelt. "Erzähl mal dat mit ein trampeln lassen."
Rolands Vater kümmert sich einäugig und sehr unpädagogisch um seinen kleinen Sohn, während auch er die Bordellgeschichten des Krassdrauflings nicht missen möchte. "Roland, wills' noch'n paar Mäuse? Ach, hasse noch. Ja, wie ein trampeln lassen?" Auch der Wirt mit dem Augenfehler kommt etwas näher und die Männer bilden
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