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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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der im Mundwinkel glänzenden, himbeerfarbenen Perle der Zunge sagt uns genug, und wir verstehen genauso viel wie der vorbeigehende Junge, der einen Moment zu lang die unter den Rock greifende Hand betrachtet. Es ist die Stelle, von der die Schauder und der Kitzel nach allen Seiten ausstrahlen, diese Hand ist es, die durch ihre rhythmische Bewegung den Mund der jüngeren Frau zu einem Grinsen verzieht (sie sitzt so dicht hinter der anderen, dass sie das Zittern mit dem Schenkel spüren kann, mit dem sie den breiten Hintern der anderen berührt).
    Der Vorübergehende sieht den tiefsten schwarzen Grund, den Anfang, der sich in den groben Falten verbirgt. Er weiß noch nicht, dass er selbst daraus entstanden, dass daraus die ganze Welt entstanden ist – die Tür, auf die er zugeht, scheint ihm die Rettung zu sein, er wendet den Kopf ab, beschleunigt den Schritt. Es folgt ihm ein zweifaches Lachen, Kichern und Krächzen, verschmolzen mit dem zweifachen abgerissenen Atem.

VII
Javier spricht
    Natürlich habe ich gezeichnet. Auch gemalt. Trotz der vulgären Modelle, obwohl ich Vater aus dem Weg zu gehen versuchte, wegen seines Geschreis, wegen seiner abartigen Zornesausbrüche, wenn etwas an einem Bild nicht gelang – wenn die Farbe schlecht aufgetragen war, die darunterliegende Lasurschicht abging, ein Arm zu lang geriet, obwohl er bisher korrekt ausgesehen hatte; es zog mich sowohl in sein Atelier als auch zum Malen selbst. Die technischen Dinge mochte ich nicht: das Zerreiben der Pigmente, das Mischen mit dem Bindemittel, das Prüfen, ob die Konsistenz nicht zu dünn oder zu dick sei, das Auswaschen der Pinsel … Ich war immer der Meinung, die Malerei solle eine schöne und reine Kunst sein, und nicht etwas, das sich zwischen der primitiven Arbeit des Gipsers, der langweiligen Präzision des Apothekers und den prosaischen Aufgaben des Zimmermädchens bewegt. Der Alte, der ständig kleckerte, sich räusperte, auf den Boden spuckte, der mit den schmutzigen Pinseln alles verschmierte, was in Reichweite stand oder lag, der den dreckigen Lappen auf die Erde warf und ihn dann wieder aufhob, wenn er ein zu dickes Impasto wegwischen musste und keine Lust hatte, einen neuen zu suchen – er schien mir ein Betrüger zu sein, der sich für einen echten Maler ausgab, denn dieser sollte in Ruhe schöpferisch tätig sein, mit heiterer Miene, in Kleidern, so schön und reich wie die Herren und Damen, die er porträtiert; die Linien sollten glatt und harmonisch sein, die Farben angenehm fürs Auge, die Themen angenehm fürs Herz.
    Sosehr ich mit der Zeit meine Vorliebe für die geschleckten Bilder von Mengs abgelegt und zu schätzen gelernt habe, was der Alte machte – seine rauhen Konturen, das wilde Zickzackmuster heller Tupfer auf den Stickereien, die grellen Kontraste –, so abstoßend finde ich auch heute noch die Art und Weise, wie er malte; unlängst noch bin ich aus einem Albtraum erwacht, in dem er mein gerade abgeschlossenes Bild in seine total verdreckten Pfoten nimmt und riesige, fettige braune Flecken darauf hinterlässt, die sich nicht mehr entfernen lassen. »Macht nichts, macht nichts«, sagte er ständig in diesem Traum, »ist sogar besser so, ein bisschen Schatten am Rand.«
    Von Vater habe ich die Angewohnheit übernommen, immer ein Skizzenbuch bei mir zu haben; meines war sehr elegant und in gutem Zustand, in dunkles Saffianleder gebunden, mit Goldschnitt. Ich zeichnete dort Hunde, Katzen, Wanderhändler, die wilden Muster, die die Schatten von Laternen und schmiedeeisernen Geländern bei greller Sonne an die Hauswände werfen; ich bildete die Linie eines Pferderückens nach, die weißen Flecken auf dem gestriegelten Hintern, das rauhe Fell eines Mulis, die gemeinsame Anstrengung der Zweige, die sich dem Herbstwind widersetzen; die Form der Nase und der Stirn meiner Mutter, über den Stickrahmen gebeugt, oder das ernste, konzentrierte Gesicht der Köchin, wenn sie einen Moment Zeit fand, mir Modell zu stehen. Ein Tagebuch schrieb ich nicht, dachte ich doch, ein junger Bursche wie ich habe nicht viel Interessantes über die Welt zu sagen – aber er könne ihren herrlichen, phantastischen Reichtum aufzeichnen und nachbilden, von den kleinsten Wassertropfen auf dem Teller bis zu den Bergketten. Dies an sich schien mir wertvoll.
    Dem Alten wollte ich diese Zeichnungen nicht zeigen – für ihn war alles, was nicht voller Hexen, Gewalt und Schmutz war, uninteressant; aber kaum sah er, dass ich zeichnete, kam er an,

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