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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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konnte, aber um seine Angelegenheiten konnte er sich kümmern. Einmal fiel er von diesem Muli in den Graben, versaute sich fürchterlich mit Schlamm, der ganze Zug hält an, alle wiehern über den Bruder, der auf die Straße zu klettern versucht, runterrutscht, wieder raufklettert, und schon springt die Herzogin vom Pferd, schon fliegt sie herab, im weißen Kleid, schon reicht sie ihm die Hand, überhäuft ihn mit Küssen, macht sich schmutzig und trägt diese Dreckspritzer auf dem weißen Kleid und der roten Schärpe wie Orden und sagt zu allen: »Er allein versteht mich, ich wusste schon immer, nur er hat eine Seele wie meine.« Na, da schwoll ihm der Kamm, und er ließ es sich gutgehen, der hässliche Wicht, aber was soll’s, ich neide ihm nichts. Mir hat er nichts weggenommen, nicht für mein Geld hat er Leckereien gegessen. Und Lusito? Das war ein Hübscher, ein Junge wie ein Traum, ein Krauskopf, schön, mit Feuer in den Augen, sie nannte ihn ihr Lieblingssöhnchen, er trug ihr Parfüm und Scherbett nach. Oder La Beata, eine wahre Bestie, eine alte Dueña, die überall den Teufel sah, vertrocknet, mit weißem Gesicht, wie mit Reispuder bestreut, eine wandelnde arthritische Leiche, mit Trippelschritten unter dem Kleid, als wäre sie ein aufgezogenes Spielzeug. Ich zeichnete Karikaturen von ihr, die Alba liebte das. Zwei davon habe ich sogar als Bilder gemalt, auf einem ziehen das Mohrenmädchen und Lusito die Beata an der Schleppe ihres Kleides, und sie bleckt die Zähne wie ein wütender Kapuzineraffe, auf dem anderen will die Alba ihr Farbe auf die Lippen auftragen, und die Beata versucht, sie mit dem Kreuz zu vertreiben. »Komm, komm«, lachte die Alba, »wir malen dein Skelettchen ein bisschen an, damit es den anderen Leichen auch gefällt, wenn’s soweit ist!«
    Und ich, was war mit mir? Ich war eine Zugabe, ein Höfling, ich war ihr geliebter tauber Auerhahn, so wie Lusito ihr Söhnchen war, die Beata der kleine Tod, Don Basilio der Stotterer, María de la Luz das Mohrenkind. Wir waren ihr Sammelsurium von Abfall, Abschaum, Krüppeln. Sie hatte eine Schildkröte, der ein Bein fehlte, und einen Affen ohne Schwanz. »Mein Großvater, der mich aufzog, der zwölfte Herzog von Alba«, schrieb sie mir einmal, »hatte einen hinkenden Zwerg, Benito, der ihm immer vorausging, mit allen Orden seines Herrn an seiner mickrigen, krummen Brust. Das lehrte mich ein für alle Mal, Reichtum und Ehrungen zu verachten.« Und was für einen Punkt sie setzte, was für einen energischen! So ein Punkt ist ein Werk für sich. Kein Wunder, dass sie uns ihr ganzes Vermögen überschrieben hat, ein Viertel von Spanien. Na, vielleicht nicht gerade ein Viertel. Und vielleicht nicht das ganze Vermögen, aber recht viel davon. Sie war die letzte Herzogin von Alba – ihr Mann nahm ihren Namen an, damit das Geschlecht nicht ausstirbt, aber er ist selbst gestorben, und ein Kind hat er ihr nicht gemacht. Nicht besonders fleißig, kann man sagen. Alles ging an irgendwelche Stuarts, niemand aus diesem Raritätenkabinett bekam auch nur einen Groschen, außer mir. Aber ich wollte es nicht für mich. Ich wollte es für Javier, der damals noch der schönste Anblick war, den es in Madrid gab.

Javier spricht
    Je älter er wurde, desto lieber redete er über seine früheren Eroberungen. Er erzählte so schlüpfrige Dinge, dass sich weißer Schaum in seinen Mundwinkeln bildete. Und welche Details er schilderte! Nicht an die Hälfte seiner Bilder erinnerte er sich nach all den Jahren, aber die Namen der Mädchen, die er irgendwo gebumst hatte, konnte er alle aufsagen, er tischte die unappetitlichsten Geschichten über jeden Körper auf, mit dem er – sozusagen – irgendwann näheren Kontakt gehabt hatte. Und dennoch sagte er nie direkt, die Alba habe ihm erlaubt, sich ihr weiter zu nähern, als ihre Herkunft und die unzähligen Titel der Herzöge, Markgrafen, Barone und Freiherrn es erlaubt hätten, die ihr aus allen Zweigen des Stammbaums zuflossen wie die sich vereinigenden Nebenflüsse eines Stroms. Oder, um in seiner Sprache zu sprechen: Er sagte nie, ob sie ihn rangelassen hat.
    Ich weiß, dass im Palast der Albas ihr offizielles Porträt hing und sicher noch hängt: in weißem Kleid, mit roten Schleifen und roter Schärpe; aber kaum jemand weiß, dass im Haus meines Vaters all die Jahre ein zweites Porträt hing, ein schwarzes – und die beiden entsprechen einander wie Form und Abguss. Ihr ausgestreckter Finger zeigt auf den Sand, auf dem

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