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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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etwas geschrieben steht, was dann übermalt wurde. Wenn man gegen das Licht schaut, kann man hier und da die unter der Übermalung versteckten Konturen der Buchstaben sehen: solo Goya .
    Er war taub und einsam. Einsam, weil taub. Sie aber verehrte alles Abgewiesene, Unvollkommene, Kranke: Verrückte und Versager, Scheusale und Krüppel. Wie hätte sie den tauben Maler nicht in ihre Sammlung lebender Kuriositäten aufnehmen sollen? Und er, der in dem Heftchen, das seine Mutter ihm geschenkt hatte, die Namen der Mächtigen Spaniens abhakte, wie hätte er sich nicht in die Herzogin verlieben sollen, deren lange Liste von Titeln kaum auf einem Blatt Papier Platz fand?

Francisco spricht
    Ich bin achtzig Jahre alt, und von Jahr zu Jahr verbindet mich weniger mit meinem Leben, denn ich erinnere mich immer weniger daran; ich denke, wenn ich sterbe, wird mir nur noch ein dünnes Fädchen bleiben, das mit der geringsten Bewegung durchzutrennen ist. Es gibt so vieles, woran ich mich nicht mehr erinnern kann! Die Gesichter meiner Eltern. Die Gesichter meiner Kinder – ehrlich gesagt, sogar an Javiers Gesicht kann ich mich kaum erinnern, und wenn ich es mir ins Gedächtnis rufen möchte, sehe ich mir die Zeichnung an, die ich kurz vor der Abreise aus Madrid gekritzelt habe. Aber das ist ein erwachsenes Gesicht, eine aufgedunsene Fresse. Und nicht der süße Fratz, der sich in den Falten von Pepas Rock versteckte.
    Und – peinlich zuzugeben – auch an einige Frauen kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich die Alba besessen habe – was würde das im Übrigen bedeuten – sie besitzen? Wie andere Frauen? Das ist ja lächerlich. Das wäre, als wollte man eine Welle besitzen, eine Wolke mit einem Netz fangen oder eine Flamme ergreifen.
    Mit ihr hat mich wesentlich mehr verbunden als das Herumwälzen in verschwitzten Laken, als Stöhnen und Keuchen, als die Klebrigkeit stinkender Körperritzen: die gemeinsame Überzeugung, dass niemand glücklicher wäre als wir, wenn der Mensch nur Mensch wäre und nicht Besitzer von Gütern, eine Kollektion von Titeln und eine Anhäufung von Pflichten gegenüber Gott und dem Königreich. Ich würde jeden Morgen und jeden Abend sagen »solo Alba«, und sie »solo Goya«, ein kleiner Gutshof würde uns die ganze Welt ersetzen, dort würden wir leben, ich in Jacke und Hose eines Majos , sie wie eine Maja gekleidet, ein Paar glücklicher Bauern, umgeben von Sonderlingen, die ich unaufhörlich malen und die sie unaufhörlich küssen und am Ohr zupfen würde.
    Aber wir wussten beide, dass das Unsinn war. Als ich sie in Trauer malte, sagte ich: »Das ist nicht die Trauer um deinen Mann, sondern um mich.« Sie sah mich an, als würde sie gleich weinen oder wütend werden, biss sich auf die Unterlippe und schrieb: »Das Leben ist zu kurz. Male mich weiß.«

Javier spricht
    Er kam mit nur einem Bild aus Cádiz, mit der Dame in Schwarz. »Der Herzogin hat es nicht gefallen«, sagte er, als er im Atelier auf dem Tisch stand und einen dicken Haken in die Wand schlug, »aber mir natürlich schon. Es wird hier hängen.« Und kurz darauf befahl er dem Dienstmädchen, ein großes Tuch zu bringen, damit er das Bild von Zeit zu Zeit verhängen konnte. »Wenn ich mich konzentrieren will.«

VI
    Schamlosigkeit
    Der Junge, der vorübergeht, sieht sie nur einen Moment lang – er wendet sich um, und das Licht schält sein jugendliches, fast kindliches Profil aus dem dicken Schwarz. Er schaut verstohlen. Würde er bewusst hinsehen, so wüsste er, was er zu erwarten hat, und würde die Augen schneller abwenden, so aber verharrt er unwillkürlich etwas zu lange in der Drehung und sieht alles.
    Die Jüngere hat noch alle Zähne, und ihr Lachen kann man wirklich ein Lachen nennen; diejenige, der von den Zähnen nicht einmal schwarze Stümpfe geblieben sind, von Krankheit weggefressen oder von einem betrunkenen Liebhaber mit dem Stuhlbein ausgeschlagen, die mit dem geschwollenen Gesicht und den verfilzten Haaren, kann nur noch krächzen. Der Unterarm, der unter dem wie zur Arbeit hochgekrempelten Ärmel hervorschaut und sich gleichmäßig bewegt, ist ganz dunkel: gebräunt von der Sonne und schmutzig. Ein Schmutz, der alles ringsum überzieht – die ungewaschenen Haare, den in Fetzen hängenden Rock aus grob gewebtem Leinen, das Hemd, das auf der Innenseite am Hals graubraune Streifen aufweist.

Von da, wo wir stehen, ist das Wesentliche nicht zu sehen, aber das zahnlose, weit geöffnete Maul mit

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