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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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diese Geschichten gehört, von Männern, die danach Frauen hatten, Huren und Ehefrauen, die Kinder zeugten und ehrbare Gatten waren; sie erfüllten ihre ehelichen Bumspflichten vorbildlich und fuhren ab und zu, wenn sie sich nicht beherrschen konnten, zu ihren verdorbenen Freunden, falls man solche Schufte, die Unschuldige zur Sünde verführen, Freunde nennen kann, sie ließen jahrelang die ekelhaftesten Dinge zu, weil sie sich nicht von diesem Ballast befreien konnten, weil das Gift in ihrem Körper sie denken ließ, dass sie in Wahrheit nicht ihre Frau oder all die anderen geliebt haben, die durch ihr Bett gegangen sind, sondern den Jungen, der in einer dunklen Ecke unter einem an der Wand hängenden Topf sitzt und sich selbstvergessen einen runterholt – selbst wenn der Junge mit den Jahren zu einem Mann mit behaarten Schultern geworden ist und eine Latte hat wie ein Muli.
    Ob es so war? Wer weiß, ich bin kein Jagdhund, ich hab ihm nicht am Arsch geschnüffelt, am Kopf schon gar nicht, wie auch? Was immer er im Kopf hatte – das ging mich nichts an, aber er wurde bald zwanzig, und wenn ich sah, wie der Junge verkümmerte, riss es mir das Herz in Stücke. Pepa schrieb mir, als sie in ihrer Betthälfte lag, in das auf der Decke liegende Heft: »Lass ihn in Ruhe, such kein fünftes Bein bei einer Katze, er ist, wie er ist, er ist schon so auf die Welt gekommen. Er war immer ein stilles Kind, das wird er auch bleiben«, ich glaube, so viel schrieb sie sonst nie, »stille Wasser sind tief. Warum willst du unbedingt so ein Tier aus ihm machen, wie du es bist«, und sie fuhr mir über die Brust, »du warst auch schon immer so, da bin ich mir sicher. Die einen sind so, die anderen so, lass Javier einfach leben.« Leben. Ja, gerade das wollte ich, dass er endlich »leben« sollte, ich wollte ihm ein Leben geben, Leben einflößen. Aber er fand Stierkampf langweilig und abstoßend, schämte sich, mit mir in den Puff zu gehen, und wenn ich ihn zur Rede stellte, sagte er, das sei Sünde, der Beichtvater habe es verboten. »Dann hör halt auf den Pfaffen, du Schlappschwanz«, schrie ich, »und nicht auf deinen Vater, du wirst schon sehen, wie weit du damit kommst!« Ich knallte die Tür zu und ging allein in den Puff, aber an diesem Abend lief es nicht gut, und ich war bald wieder zu Hause. »Pepa«, sagte ich, »wir müssen den Jungen verheiraten, sonst verkümmert er uns total.« Und sie nickte und schrieb: »Was sein muss, muss sein. Aber denk dran, Francisco, gute Frauen sind nicht wie Gras, sie wachsen nicht überall, da wird man suchen müssen.«
    Aber was wusste sie schon; da musste man nicht weit suchen; tags darauf schrieb ich an Goicoechea, ob seine Gumersinda immer noch zu vergeben sei. Das war sie. »Dann nichts wie los!«, sagte ich mir, und einen Monat später bestellten wir das Aufgebot.

Javier spricht
    Sie war sogar hübsch. Und still. Wir machten einen Besuch, ich war bemüht, mich von meiner besten Seite zu zeigen. Ich betrachtete ihr dichtes, lockiges Haar, hinten zusammengebunden, über der Stirn gesträubt. Und den Mund. Ein schöner Mund. Voll. Er sah aus wie etwas, das sich gut und warm anfühlt, wie die Kisselchen an den Katzenpfoten. Wir redeten nicht viel, es war ja schon alles besprochen.

Francisco spricht
    Hat diese Straße, hat diese Gemeinde schon so eine Hochzeit gesehen? Ich glaube nicht. Die Goicoecheas schwimmen im Geld, sie machen Geld, denn was ist denn die Arbeit des Kaufmanns anderes als Kaufen und Verkaufen, Kaufen und Verkaufen und dabei die Dummen übers Ohr hauen – aber sogar auf sie hat die Zeremonie Eindruck gemacht, ich habe es genau gesehen. Ganz zu schweigen von der Pracht unseres Hauses.
    Die ganze Kirche geschmückt, so viele Kerzen, dass ich gar nicht daran denken mag, es war hell, als würde man unter freiem Himmel sitzen, Weihrauch doppelt soviel wie normal, manche beklagten sich sogar über eine trockene Kehle. Meine Pepa in einem Kleid, das sie in den Wochen zuvor selbst genäht hatte, ganz voll funkelnder Diamanten und glänzendem Gold; jeder Schritt von ihr war ein vielfaches Blitzen, ihr alternder Körper schien an diesem Tag zu strahlen wie ein junger.
    Der ganze Zug ging dann von der Kirche nach Hause, freudig, aber ihr rannen Tränen aus den Augen – also die Unglückliche ist wirklich nicht zu retten, denke ich mir. Immer nur weinen: aus Trauer weinen, vor Freude weinen, rette sich, wer kann, da geht man ja unter. Zu Hause das Gleiche: Flott springen die

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