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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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dann unfreundlich wirkte. Aber das schien ihm das kleinere Übel zu sein.
    Valerie und er näherten sich dem Kanzlei-Areal.
    »Guck mal, da ist doch etwas im Gange!«, sagte Valerie.
    Es herrschte nicht das übliche lebhafte, laute, aber friedliche Durcheinander, das normalerweise den Flohmarkt prägte. Die Stände, die am Rand lagen, waren verlassen. Niemand schien sich im Moment für zerfledderte Comics, Handys der vorletzten Generation oder Lammfelljacken aus den 70er-Jahren zu reißen. Eine unruhige Menschenmenge drängte sich im Zentrum zusammen, es waren Buhrufe zu hören, die Stimmung schien angespannt bis aggressiv. Valerie spürte, wie Beat sich in Streiff verwandelte. Es waren nur Winzigkeiten, die sich in seinem Blick, seiner Haltung, seinem Schritt veränderten. Jetzt war er der Polizist, der eine Situation zu analysieren hatte, abzuschätzen versuchte, ob da etwas aus dem Ruder lief. Sie gingen auf die Menschenmenge zu. Streiff drängte sich hindurch.
    In der Mitte, umringt von warm eingepackten Flohmarkthändlern und Kunden, es war ja schon November und morgens ordentlich kalt, stand – Angela Legler. Allein. In einer ziemlich ungemütlichen Situation und nicht einmal besonders warm angezogen.
    »Lassen Sie mich durch!«, rief sie. »Sofort. Das ist ein öffentlicher Ort. Ich habe das Recht, hier zu sein.«
    Buhrufe und höhnisches Gelächter antworteten ihr.
    »Was fällt dir ein hierherzukommen!«, schrie eine ältere, pummelige Frau mit grauen Locken, die, so glaubte sich Valerie zu erinnern, einen Stand mit gebrauchten Kleidern und Schuhen hatte. »Das ist unser Ort und du willst ihn kaputtmachen.«
    »Jetzt stehst du uns Red und Antwort!«, rief ein anderer Flohmarkthändler, ein hagerer, kahler Mann um die 40, der jeweils Geschirr und Pfannen, aber manchmal auch elektronische Geräte feilbot. »Was spielst du da für ein schmutziges Politspielchen? Wem willst du in den Arsch kriechen? Kriegst du das bezahlt?«
    Legler hatte ihre Überlegenheit noch nicht verloren. Sie straffte sich. »So diskutiere ich nicht mit Ihnen!«, rief sie. »Ich bin Politikerin. Ich bin mitverantwortlich dafür, dass Gesetze eingehalten werden. Und das hier ist ein rechtsfreier Raum. Das geht einfach nicht!«
    Wieder Buhrufe. Die Leute kamen ihr näher. Sie wich einen Schritt zurück. Aber auch hinter ihr war eine Wand von Menschen. Nun schien sie nervös zu werden, sie fuhr sich mit der Hand durch die dunklen, kurzen Haare. Ihr Gesicht, selbst im November noch gebräunt, wurde um eine Schattierung blasser.
    Valerie, die mit dem Hund am Rand stehen geblieben war und durch die Menschenmenge spähte, schüttelte für sich den Kopf. Diese Legler war ja sträflich naiv. Die begriff nicht, was hier abging. Es war ihr überhaupt nicht klar, was sie mit ihrer Forderung, den Flohmarkt zu schließen, ausgelöst hatte, sonst wäre sie nicht hergekommen. Jedenfalls nicht ohne Begleitung. Und es kam ihr offenbar auch nicht in den Sinn, dass sie in Gefahr sein könnte. Die Stimmung war explosiv. Hoffentlich hält sie endlich den Mund, dachte Valerie nervös, nicht dass irgendein Choleriker ausrastet und sie tätlich angreift.
    Sie drehte sich um und warf einen Blick auf die verlassenen Marktstände. Da bemerkte sie einen jungen Mann, der die Gelegenheit nutzte, sich ein kleines Fernsehgerät von einem Tisch griff und sich damit davonmachte. Man muss die Feste feiern, wie sie fallen, dachte Valerie schulterzuckend. Dann wandte sie sich wieder dem Knäuel von aufgebrachten Leuten zu und suchte mit den Augen Beat in der Menge. Er war nicht besonders groß, aber an seinem roten Haarschopf zuverlässig zu erkennen. Sie sah, dass er sich zu Angela Legler durchgearbeitet hatte und sie am Arm fasste.
    »Stopp«, rief er, »Polizei! Sie lassen die Frau jetzt passieren.«
    Geraune erhob sich, aber es wurde ruhiger, einige Leute zogen sich zurück.
    »Bullenstaat!«, rief jemand vom Rand her. Streiff drehte nicht einmal den Kopf. Er hielt seinen Blick auf die ihm gegenüberstehenden Leute gerichtet, die jetzt langsam und widerwillig den Weg freigaben. Er fühlte, dass Legler zitterte. Offenbar war ihr die Situation jetzt bewusst geworden und sie hatte ihre Sicherheit eingebüßt. Bevor er sie hinausführen konnte, riss sie sich los und rannte davon. Huhn, dachte er ärgerlich. Die Menge johlte hinter ihr her. Dann ging es sehr schnell. Aus dem Augenwinkel nahm Streiff eine Bewegung wahr, die Bewegung eines Arms in einem farbigen Pulloverärmel,

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