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Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi

Titel: Satzfetzen: Kriminalroman: Ein Zürich-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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zusammenzuwohnen. Er hätte gern gewusst, wie sie darüber dachte. Aber er hatte sie bis jetzt nicht fragen mögen. Vielleicht fühlte sie sich dann eingeengt und das wollte er nicht. Oder erwartete sie im Gegenteil, dass er das Thema aufs Tapet brachte? Und wie würde man das dann bewerkstelligen? Würde er bei ihr einziehen? Sicher nicht. Nicht in die Wohnung, in der sie mit Lorenz Stucki, dem Quacksalber, wie er ihn bei sich nannte, zusammengelebt hatte. Oder würde sie zu ihm ziehen? Würden sie zusammen eine neue Wohnung suchen? In Zürich eine schöne und bezahlbare Wohnung zu finden, war in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Beat schob den Gedanken wieder einmal beiseite.
    »Komm«, sagte er stattdessen, »trink deinen Kaffee aus, dann können wir gehen. – Ja, du kommst auch mit«, wandte er sich an Seppli, der an Beats Tonfall erkannt hatte, dass der Tag nun in Schwung kam, und eilends unter dem Tisch hervorsprang. Sollte ihm ja nicht passieren, dass man ihn etwa vergaß.
    Valerie band rasch ihre braunen Locken zusammen und steckte sie unordentlich am Hinterkopf fest. Sie war soweit ganz zufrieden mit ihrem Spiegelbild. In den letzten paar Jahren hatte sie drei Kilo zugenommen, aber das stand ihr gar nicht schlecht, fand sie. Sie mochte ihre braunen Augen, ihren wachen Blick. Manchmal schienen ihr ihre Gesichtszüge etwas zu weich zu sein, aber Beat hatte erklärt, bei ihrem Temperament schade es nichts, auch etwas Sanftes an sich zu haben. Sie schlüpfte in ihre moosgrüne Lederjacke und sagte: »Weißt du, ich möchte einen schönen, hohen Kerzenständer finden. Wäre doch gemütlich für lange Winterabende.«
    »Und ich brauche eine neue Kaffeemaschine«, meinte er.
    »Neu ist gut. Das ist doch gefährlich. Eines Tages wird dir so ein Secondhand-Ding einen tüchtigen elektrischen Schlag versetzen. Wenn du sie wenigstens nach dem Kauf zur Überprüfung zu einem Elektriker bringen würdest.« Sie begriff seine Vorliebe für Kaffeemaschinen, CD-Player und TV-Geräte vom Flohmarkt nicht.
     
    Valerie und Beat schlenderten die Stauffacherstraße hinauf, vorbei am Volkshaus, und überquerten die Straße. Valerie fand es umständlich, Bus oder Tram zu nehmen, während Beat nicht gern Rad fuhr. Deshalb waren sie zusammen oft zu Fuß in der Stadt unterwegs, ein Arrangement, das auch der Hund schätzte. Eine ältere Frau kam ihnen entgegen. Sie grüßte Beat mit Namen, nickte Valerie freundlich zu und machte Anstalten stehenzubleiben. Beat grüßte mit einem halben Lächeln kurz zurück und wollte weitergehen. Aber Valerie blieb stehen und wechselte mit der Frau ein paar Worte, während Beat stumm daneben stand.
    »Haben Sie den Lärm letzte Nacht auch gehört?«, wandte sich die Frau jetzt Beat zu. »Ich glaube, es war Elmiger vom vierten Stock, der Besuch hatte. Um halb drei sind seine Gäste das Treppenhaus heruntergepoltert.«
    Valerie schien, dass Beat aufatmete. Was hat er nur, dachte sie.
    »Nein«, sagte Beat jetzt, »ich war letzte Nacht gar nicht da.«
    »Na, dann haben Sie Glück gehabt«, meinte die Frau, wünschte ein schönes Wochenende und verabschiedete sich.
    »Was hattest du denn?«, fragte Valerie. »Du hast zuerst so unfreundlich gewirkt. Frau Luchsinger ist doch nett.«
    »Ach, manchmal ist sie so geschwätzig«, erwiderte Beat. »Ich dachte, wenn wir stehen bleiben, kommen wir nie wieder weg.«
    Aber das war eine glatte Lüge. Es war Beat Streiffs bestgehütetes Geheimnis, dass er an Prosopagnosie litt. Zum Glück nur an einer sehr milden Form. Die meisten Gesichter konnte er problemlos wiedererkennen, aber bei manchen hatte er Mühe. Dummerweise konnte er sich gerade das Gesicht seiner Nachbarin, Else Luchsinger, einfach nicht merken, obwohl sie schon einige Jahre im gleichen Haus wohnten. Traf er sie im Treppenhaus oder in der Waschküche an, wusste er, dass sie es war, denn sie war die einzige ältere Frau im Haus. Allerdings gab es auch da Fallstricke. Einmal hatte er eine Frau mit ›Guten Tag, Frau Luchsinger‹ begrüßt, aber da war es die Mutter von Elmiger gewesen. Außerhalb des Hauses hatte er keine Chance, die Frau zu erkennen. Erst als sie den Nachbarn im vierten Stock erwähnt hatte, war ihm aufgegangen, wer sie war. Nicht einmal Valerie wusste von seiner Schwäche und bei der Polizei selbstverständlich auch niemand. Obwohl es ihm durch langjährige Übung gut gelang, dieses Manko zu überspielen und zu kompensieren, machte es ihn innerlich oft unsicher, wodurch er

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