Saubere Verhältnisse
Aber du hast es vielleicht nie erlebt.«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Okay, ich kann Großputz machen, wenn es dir wichtig ist«, sagte sie unberührt. »Aber wäre es denn nicht netter, wenn ihr den Hafturlaub woanders verbringen würdet? Achtundvierzig Stunden sind zwei Tage. Ihr könntet wegfahren. Irgendwo ein Häuschen mieten. Ihr seid doch gern alleine, nicht wahr?«
Er nickte und setzte sich wieder rittlings auf den Stuhl.
»Wir haben tatsächlich darüber nachgedacht, ein neues Häuschen zu mieten. Etwas Eigenes, wo wir Helenas Hafturlaub verbringen können. Aber es darf nicht in der Nähe des alten sein. Nichts darf an das Geschehene erinnern. Nicht mal am Meer darf es sein. Am Wald. Da kann es doch auch schön sein, was meinst du, Nora? Im Herbst Pilze suchen. Im Winter langlaufen. Das würde Helena gefallen. Sie wurde immer ein anderer Mensch, wenn sie in der Natur war. Viel froher und freier. Unser Häuschen in Åsa war wie eine Freistatt für sie. Sie konnte stundenlang am Meer entlanggehen.«
Seine harten Gesichtszüge waren wieder weich geworden. Er hob das Kissen vom Boden auf, plazierte es auf der Rücklehne und legte seine Wange darauf.
»Weißt du, Bernhard, ich habe über etwas nachgedacht«, sagte Yvonne nachdenklich, goß sich Öl in die Hand und verteilte es mit langen, gleichmäßigen Bewegungen auf seinem Rücken. »Wenn ihr doch im Winter so oft in eurem Häuschen wart, warum habt ihr den Müll nicht abholen lassen?«
Er war so überrascht, daß seine Schulterblätter zuckten.
»Tja, ich weiß nicht. Helena hat sich um solche Sachen gekümmert.«
»Aber sie sagte im Verhör bei der Polizei ausdrücklich, daß sie den Müll in die Mülltonne der Nachbarn werfen mußte, weil der Müll bei euch im Winter nicht abgeholt wurde. Das klang merkwürdig, fand ich. Eine so reinliche und ordentliche Person wie Helena würde doch dafür sorgen, daß der Müll abgeholt wird, oder? Denn ihr habt doch nicht jedesmal den Müll mit nach Hause genommen?«
»Nein, natürlich nicht. Warum fragst du das alles? Ahh, das war schön, Nora. Es kribbelt im ganzen Körper.«
»Das fiel mir nur so auf. Daß sie der Polizei gesagt hat, ihr hättet keine Winterabholung gehabt.«
»Wenn sie das gesagt hat, dann war es auch so. Ich weiß nichts darüber.«
»Aber ich. Ich habe nämlich bei der Firma angerufen, die in Åsa dem Müll abholt.«
Er drehte den Kopf und schaute sie erstaunt an, aber sie drückte seinen Nacken mit harten, knetenden Händen nach unten.
»Da habe ich die Auskunft bekommen, daß ihr seit 1997 Winterabholung hattet.«
»Aha?«
»Helena hätte also mit ihrer Mülltüte nicht zum Nachbarn gehen müssen. Eigentlich ziemlich frech. Hat sie das öfter gemacht? Das paßt nicht zu dem Bild, das ich von Helena habe. Und doch hat sie es gemacht, anstatt den Müll in die eigene Tonne zu werfen. Warum?«
Bernhard antwortete nicht. Seine Nackenmuskeln verspannten sich unter ihren kreisenden Daumen.
»War in dieser Mülltüte vielleicht etwas, das die Polizei nicht finden sollte? Oder fehlte etwas, was hätte drin sein sollen? Essensreste zum Beispiel?«
»Worauf willst du eigentlich hinaus?«
»Ich stelle mir nur so Fragen«, sagte sie sanft. »Und das hätte die Polizei auch tun sollen. Die Fragen, die ich mir stelle, hätten sie auch stellen müssen. Und zwar Helena. Aber nirgendwo im Verhör gibt es solche Fragen. Die Verhöre scheinen reine Routine gewesen zu sein. Als ob Helenas Geständnis ihre scharfen Polizistenaugen getrübt und ihr empfindliches Gehör betäubt hätte. Widersprüche, die ihnen hätten auffallen müssen, haben sie geschluckt, ohne mit der Wimper zu zucken.«
»Was meinst du, Nora? Was für Widersprüche?«
Sie wartete ein wenig mit der Antwort, ihre Fingerspitzen bewegten sich in kleinen kreisenden Bewegungen von Bernhards Schläfen zu seinen Kiefern hinunter.
»Die Massage hast du wirklich gebraucht. Du bist schrecklich verspannt. Bekommst du keine Kopfschmerzen, wenn du die Kiefermuskeln so anspannst?«
»Was für Widersprüche?«
»Tja, warum hat Helena zwei bis drei Stunden gespült und geputzt, nachdem sie deine Geliebte ermordet hat. Wenn sie, wie sie der Polizei sagte, ›keine Beweismittel beseitigen‹ wollte, warum hat sie dann überhaupt geputzt und nicht so schnell wie möglich die Polizei angerufen?«
»Helenas Putzfimmel hat etwas Zwanghaftes. Sie verhält sich, was das betrifft, nicht immer rational. Ihr Verhalten ist in deinen Augen
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