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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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nachdenken.«
    Plötzlich machte Helena einen Schritt auf Yvonne zu und sagte mit einer Stimme, die vor zurückgehaltener Intensität bebte:
    »Sie sehen nicht aus wie eine Putzfrau. Wer sind Sie eigentlich?«
    Yvonne dachte einen Moment nach und sagte dann:
    »Bernhard nannte mich seinen Schutzengel. Sagen wir, ich bin eine Art Observateurin. Oder war. Wenn ich hier wegfahre, ist mein Auftrag beendet. Jetzt hängt alles an Ihnen, Helena.«

IV
M ONDSCHEIN ÜBERM V ORORT

27
    Eine leichte Brise wehte vom Ägäischen Meer her. Sie ließ die runden Volants des Sonnenschirms flattern und kühlte Yvonnes heiße, sonnengebräunte Haut. Sie lag auf dem Rücken auf einer gemieteten Sonnenliege und schaute Simon beim Schnorcheln zu, man sah nur das Schnorchelrohr und den badebehosten Po, der langsam im türkisblauen Wasser seine Kreise zog. Er fotografierte Fische mit seiner Unterwasserkamera, die Jörgen ihm gekauft hatte. Hin und wieder tauchte er auf und rief ihr zu, was er unter Wasser gesehen hatte.
    Jörgen kam von dem kleinen englischen Strandpub zurück, er hatte zwei Bierkrüge in der Hand und setzte sich neben sie auf die Liege. Er reichte ihr den beschlagenen Glaskrug, die Tropfen liefen am Glas hinunter.
    »Ein kaltes Bier an einem heißen Strand, was gibt es Besseres?« sagte er.
    Sie hatten die Charterreise schon im Januar gebucht, als die Sommerkataloge herauskamen und sie noch eine Familie waren, die eine gemeinsame Ferienreise plante. Seitdem hatten Yvonne und Jörgen immer mehr ihr eigenes Leben gelebt, aber Simon hatte sich auf die Reise gefreut, und sie hatten sie nicht abgesagt.
    Schon am ersten Tag, hier am Strand auf den Sonnenliegen vor dem englischen Pub hatten sie angefangen, miteinander zu reden. Jörgen hatte erzählt, daß er vom Herbst an in der Hauptniederlassung seiner Firma in London arbeiten würde. Sie hatten ein bißchen über seine Arbeit gesprochen, er machte gerade einen ordentlichen Karrieresprung, Yvonne hatte gefragt, ob es nicht schwer sei, in London eine Wohnung zu finden. Er hatte geantwortet, er würde bei einer schwedischen Frau wohnen, die auch in der Hauptniederlassung arbeitete. Yvonne hatte nicht weitergefragt, aber sie ahnte, daß diese Frau ein Grund für seinen Umzug war.
    Sie hatten sich geeinigt, daß Simon jedes dritte Wochenende zu ihm kommen würde und daß er bestimmt alleine fliegen konnte, wenn eine Stewardeß ihn begleitete. Jörgen würde nur einige Kleider und ein paar Kleinigkeiten mitnehmen. Alle Möbel und großen Sachen konnte Yvonne behalten; das gab es alles bei Sofie, der Frau, bei der er wohnen würde.
    Sie redeten sachlich und freundschaftlich miteinander. Das Wort Scheidung fiel erst ganz zum Schluß, als Jörgen meinte, es wäre gut, den Papierkram beizeiten anzugehen, damit alles erledigt sei, wenn er fuhr.
    Und dann hatten sie wunderbare Ferien zusammen verbracht. An einem Tag hatten sie Fahrräder geliehen und waren an die Südküste der Insel gefahren und hatten am Felsstrand gebadet. An einem anderen Tag waren sie auf Eseln in die Berge geritten, auf schmalen Pfaden hoch hinauf, wo die Luft nach Thymian und Zitronenmelisse duftete. Sie hatten in einem Olivenhain mit Brot, Käse und Wein gepicknickt, waren abends spät in einem kleinen Restaurant essen gegangen und dann durch schmale Gassen im weichen Mittelmeerdunkel nach Hause geschlendert.
    Jörgen war richtig gut gelaunt gewesen. Er war so entspannt und befreit wie seit Jahren nicht mehr. Er war zu Scherzen aufgelegt und großzügig, und wenn es Probleme gab – z.B. als Simon einen Umweg über spitze Steine gefahren war und auf dem Heimweg einen Platten hatte –, da war er geduldig und hilfsbereit und hatte das Mißgeschick belächelt.
    Wie glücklich wir zusammen sind, jetzt wo wir zugeben, daß wir einander nicht mehr lieben, dachte Yvonne.
    Simon kam aus dem Wasser und setzte sich ans Fußende von Yvonnes Sonnenliege.
    »Bekomme ich nichts zu trinken?«
    Jörgen gab ihm einen Geldschein, und er lief zum Pub, um sich etwas zu trinken zu kaufen.
    »Sollen wir es ihm erzählen?« sagte Jörgen.
    Yvonne nickte.
    Als Simon mit einer Pepsi-Cola zurückkam, erzählte Jörgen ihm, daß er eine Zeitlang in London wohnen werde. Deshalb könnten sie sich nicht mehr so oft sehen wie bisher. Der letzte Satz schien Simon zu erstaunen. Er hörte auf zu trinken und schaute seinen Vater fragend an, denn Jörgen war nur selten zu Hause, wenn er wach war, und in den letzten Monaten hatte er seinen Vater

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