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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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bei ihr nie ein so starkes Begehren geweckt, wie sie es jetzt verspürte, aber er hatte sie immer mit einem gesunden Gefühl der Befriedigung zurückgelassen.
    Aber dieser Liebesakt – so merkwürdig, so lustvoll und frustrierend – schien weder Anfang noch Ende zu haben. Das etwas schlaffe Fett am Bauch, die kräftigen Halsmuskeln, die merkwürdig weiche Haut, fast wie bei einer Frau. Ein Mann aus Zucker, dachte Yvonne. Ich hatte einen Mann aus Salz, jetzt habe ich einen Mann aus Zucker. Sie spürte, wie jede Zelle ihrer Haut sich nach dieser Süße sehnte, und versuchte, den Gedanken, der sich aufdrängte, wegzuschieben: Von Zucker wird man nicht satt. Man will nur immer mehr – bis einem übel ist. Wie lange hatten sie in dem Sirupbett gelegen? Eine Viertelstunde? Eine Stunde? Mehrere Stunden? Sie hatte jeglichen Zeitbegriff verloren und wollte schon glauben, daß es in Ewigkeit so weitergehen würde, als sie ein merkwürdiges Gefühl hatte: Etwas im Zimmer hatte sich verändert. Ein Geräusch, ein Geruch, ein Schatten. Sie waren nicht mehr allein.
    Und als sie sich im Bett aufsetzte, sah sie sie. Eine große, schlanke Frau in einem gutgeschnittenen Mantel stand unbeweglich in der Tür und betrachtete sie mit ausdruckslosem Gesicht und klaren, sehr blauen Augen.
    Der Blick war so intensiv, daß Yvonne das Gefühl hatte, von ihm aufgesaugt zu werden. Einen Moment glaubte sie, in den Augen dieser Frau zu stecken und alles aus ihrer Perspektive zu sehen. Sie betrachtete ihren eigenen nackten Körper und den Bernhards. Der schwere, stickige Liebesdunst, der sie umgab, wurde ihr bewußt. Der weiße Bettüberwurf lag heruntergezerrt auf dem Boden, die Daunendecke knäulte sich um sie herum wie eine Tierhöhle. »Sieh an«, sagten die Augen, »so schamlos tummelt ihr euch in unserem ehelichen Bett! Seht mal, wie ihr es mit euren Ausdünstungen beschmutzt!« Und Yvonne sah es und ekelte sich. Noch nie zuvor hatte sie das so deutlich und mit so schmerzlicher Schärfe erlebt: die Bedeutung des Wortes »Scham«.
    Es dauerte nur ein paar Sekunden. Dann waren sie aus dem Bett. Sie prügelten sich fast um die Decke, um ihre Blöße zu bedecken.
    Aber sie war schon weg. Sie war genauso still und unmerklich verschwunden, wie sie gekommen war.
    »Du lieber Herr Jesus! Wieso ist sie hier? Sie sollte doch erst am 10. April Hafturlaub haben!« flüsterte Bernhard.
    Er hatte sie also auch gesehen. Das Erlebnis war ein solcher Alptraum und so unfaßbar, daß Yvonne einen Moment an eine Halluzination geglaubt hatte.
    Sie zogen sich schnell an, und Bernhard murmelte die ganze Zeit ›Herr Jesus, Herr Jesus‹. Bevor sie das Zimmer verließen, warf Yvonne einen Blick in den Spiegel. Die Haare, die teilweise aus dem Gummiband gerutscht waren, standen struppig ab. Sie löste das Gummiband und versuchte, so gut es ging, ihre Haare zu richten, außerdem war sie froh, daß Nora kein Make-up verwendete, das hätte verschmiert sein können.
    Als sie nach unten kamen, saß Helena Ekberg auf dem Sofa im Wohnzimmer, immer noch im Mantel. Neben ihr saß eine kräftige Frau in einer gelben Tenson-Jacke und einer modifizierten Punk-Frisur, für die sich Frauen mittleren Alters manchmal begeistern können.
    Als Bernhard das Zimmer betrat, stand seine Frau auf und ging ihm entgegen. Sie umarmten sich, leicht und förmlich, wie auf einer Cocktailparty.
    »Helena! Wie wunderbar! Ich dachte, du hättest erst im April Hafturlaub«, rief er aus.
    »Ja, mein erster Hafturlaub ohne Begleitung ist erst am 10. April. Dann habe ich vierundzwanzig Stunden Urlaub, das hatte ich dir erzählt. Aber heute habe ich einen Acht-Stunden-Ausgang mit Begleitung.«
    »Aber Liebling, warum hast du denn nicht vorher angerufen? Ich hätte ein Festmahl vorbereiten können.«
    »Ich hätte nicht geglaubt, daß ich es hin und zurück in acht Stunden schaffe. Wir wollten eigentlich nur einen kleineren Ausflug machen. Aber dann fand Britt-Inger eine Zugverbindung, die genau paßte, und da haben wir uns anders entschieden. Ich kann nur kurz bleiben. Ja, das ist also Britt-Inger, sie sieht nach mir.«
    Sie wandte sich an die Frau auf dem Sofa, die zur Begrüßung nickte.
    »Und das ist mein Mann Bernhard.«
    Helena legte den Arm um Bernhard, der auch leicht nickte.
    »Und?« sagte Helena vorsichtig und wandte sich mit erhobenen Augenbrauen Yvonne zu, die immer noch in der Türöffnung stand und das merkwürdige Schauspiel betrachtete.
    »Nora«, sagte Bernhard schnell. »Nora

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