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Saubere Verhältnisse

Saubere Verhältnisse

Titel: Saubere Verhältnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
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Biologie, über Liebesbeziehungen. Gott, was konnte sie klug sein, wenn sie da oben auf dem Podium stand und ihre Gedanken (na ja, die Gedanken von anderen vor allem) auf der Leinwand über sich in Pfeile und Säulen verwandelte.
    Als sie einen Schrank aufräumte, um Simons Winterkleider zu verstauen und seine Frühjahrsjacke herauszusuchen, fiel ihr die Plastiktasche mit den Nora-Brick-Kleidern in die Hand. Nora hatte im Lauf der Zeit eine ganze Garderobe bekommen, und diese war nach Yvonnes Grippe in Plastiktaschen verpackt worden, um irgendwann zur Kleidersammlung gebracht zu werden.
    Sie hatte sie herausgeholt und sie wie geplant zum Container gefahren, sie eingeworfen, und als die Klappe mit einem harten Knall zuschlug, hatte sie die Worte gesprochen, die sie auch ihren Zuhörern bei solchen Gelegenheiten empfahl: »Alles hat ein Ende.«
    »Es ist wie eine Zauberformel«, hatte sie gesagt, »wenn man sie ausspricht, ist man überzeugt, daß es wahr ist, und wird frei, etwas Neues zu machen.«
    »Donk«, machte die Metallklappe, die so listig konstruiert war, daß man die Sachen wie auf ein Tablett legen konnte, aber wenn die Klappe geschlossen war und die Kleider heruntergefallen waren, wurde sie zum schützenden Deckel, und man konnte nichts mehr herausholen.
    Einige Wochen später hatte Yvonne in der Mittagspause ein Kleid im Schaufenster von H&M gesehen. Es war dunkelblau mit kleinen weißen Blümchen, ein bißchen altmodisch geschnitten, irgendwie weiblich und gleichzeitig unschuldig. Sie kaufte sonst nie etwas bei H&M, aber dieses Kleid wollte sie haben.
    Als sie an einem wunderbaren Frühlingsabend, nicht unähnlich ihrem allerersten im Vorort, mit dem Auto durch die wohlbekannten Straßen fuhr, hatte sie das Kleid an. Darüber eine dünne Strickjacke, auch sie von H&M, denn es war immer noch recht kühl. Und ihren Nora-Brick-Mantel, zerknittert und mitgenommen. (Der Mantel war nämlich nicht in den Tüten gewesen, die sie in den Container geworfen hatte. Den hatte sie im letzten Moment herausgeholt und in den Kofferraum des Autos gelegt.)
    Sie machte ihren Spaziergang, blieb wie in alten Zeiten vor dem Haus Orchideenweg 9 stehen, wo alles still und dunkel war, und beendete ihre übliche Runde.
    Am nächsten Tag, einem Montag, bat sie Lotta, ihr aktuelles Projekt zu übernehmen. Nach dem Mittagessen fuhr sie in den Vorort und hielt an der großen Tankstelle an. Sie ging auf die Toilette, wusch sich das Make-up aus dem Gesicht und zog das geblümte Kleid und den Mantel an. Und als wäre nichts passiert, als wäre es ihr ganz normaler Montag, trat Yvonne durch die Tür ihres Arbeitsplatzes im Orchideenweg 9 und fand ihren Arbeitgeber auf dem Sofa im Fernsehzimmer in einem Zustand tiefer Depression und von Elend.
    Und jetzt war sie also wieder da, in Bernhard Ekbergs Küche, verstaute den Staubsauger im Putzschrank. Sie bemerkte, daß die Regale im Putzschrank abgewischt waren und die Flaschen mit den verschiedenen Putzmitteln anders standen.
    Helena Ekberg hatte ihren ersten richtigen Hafturlaub hier verbracht – vierundzwanzig Stunden ohne Begleitung. Bernhard hatte kein Wort über diesen Besuch gesagt und sie hatte nicht gefragt. Aber einen Großteil dieser vierundzwanzig Stunden hatte sie offenbar mit Putzen und dem Aufräumen von Schränken und Schubladen verbracht.
    Im Zuge des Weihnachtsputzes hatte Yvonne gründlich den Vorratsschrank aufgeräumt, alte Lebensmittel weggeworfen und die übrigen neu geordnet, übersichtlich und praktisch. Jetzt fand sie nichts mehr wieder, alles war neu sortiert, aber nach einem ästhetischen Prinzip, nach Größe und Form, nicht nach Inhalt und Verwendung. Es war natürlich Helenas Vorratsschrank, und sie hatte das Recht, die Sachen so hinzustellen, wie sie wollte. Aber Yvonne empfand doch ein gewisses Unbehagen beim Anblick der symmetrisch geordneten Pakete und Gläser. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, mehr als einen Vorratsschrank zu sehen: eine Installation mit einem tief symbolischen Sinn. Es war wie eine fremde Sprache, wohlklingend, aber unverständlich.
    Helena würde bald wieder Hafturlaub haben – nachdem sie die ersten zwei Jahre der Strafe verbüßt hatte, bekam sie nun einmal im Monat Hafturlaub. Yvonne hatte nicht vor, ihr noch einmal zu begegnen.
    Sie und Bernhard hatten ihre intime Beziehung wiederaufgenommen. Das eheliche Bett mit der weißen Tagesdecke ließen sie unberührt – Bernhard schlief nicht einmal nachts dort – statt dessen liebten

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