Saufit: Von einem, der auszog, nie wieder krank zu werden (German Edition)
Britannica zu lesen und so viel wie möglich davon im Gedächtnis zu behalten. Eine ziemlich radikale Gegenmaßnahme, ich weiß. Aber sie hat durchaus eine innerfamiliäre Vorgeschichte: Ich habe die Idee von meinem Vater, der sich in meinen Kindertagen dasselbe vorgenommen hatte, es aber nur bis zum Buchstaben B schaffte, bis »Borneo« oder »Borsalino«, glaube ich. Also wollte ich zu Ende bringen, woran er gescheitert war, um diesen Schandfleck aus unserer Familiengeschichte zu tilgen.
Diese alphabetische Entdeckungsreise – von der ich in meinem ersten Buch, Britannica & ich , berichtete – war manchmal sehr beschwerlich. Auch für meine Lieben (meine Frau ging irgendwann dazu über, mir für jede unbedeutende Lexikonweisheit, die ich ins Gespräch warf, einen Dollar Strafgebühr abzuknöpfen). Und inzwischen habe ich, offen gestanden, 98 Prozent des damals Gelesenen wieder vergessen. Trotzdem war das Ganze unterm Strich eine bemerkenswerte, sogar erhebende Erfahrung. Die eineinhalbjährige Beschäftigung mit allen Facetten der Zivilisationsgeschichte stärkte letztlich mein Vertrauen in die Menschheit. Ich las alles über ihre unfassbar grausamen Taten – aber auch alles über ihre unglaublich guten Seiten (die Künste, die Heilkunde, die Strebepfeiler in den gotischen Kathedralen). Und im Großen und Ganzen überwog offenbar das Gute. Wenn auch nur knapp.
Der erfolgreiche Abschluss des Trainingsprogramms für meinen Geist beflügelte mich so sehr, dass ich beschloss, als Nächstes meine Seele in Angriff zu nehmen. Diese Entscheidung war darauf zurückzuführen, dass ich ohne jedes religiöse oder spirituelle Bezugssystem aufgewachsen bin. Wie ich in meinem Buch über diese Erfahrung – Die Bibel & ich – schrieb, bin ich zwar jüdischer Herkunft, aber ungefähr so jüdisch, wie Pizzahut italienisch ist. Also nicht sehr. Doch meine Frau und ich hatten gerade unseren ersten Sohn bekommen und schlugen uns mit der Frage herum, was wir ihm dereinst über unser gemeinsames kulturelles Erbe erzählen sollten. Also fasste ich den Entschluss, die Bibel nicht nur von vorne bis hinten durchzulesen, sondern sie auch komplett beim Wort zu nehmen.
Ich nahm mir vor, sämtliche Regeln, die im Buch der Bücher geschrieben stehen – und das sind Hunderte – zu befolgen. Ich wollte sprichwörtliche Gesetze wie »Liebe deinen Nächsten« und die Zehn Gebote achten. Doch darüber hinaus wollte ich auch weitgehend unbekannte, wenig beachtete Regeln wie »Du sollst deinen Bart nicht stutzen« und »Du sollst kein aus zweierlei Fäden gewirktes Kleid anlegen« befolgen. Auf diese Weise wollte ich herausfinden, welche Gebote sich auf meinem Weg zur seelischen Läuterung als hilfreich erweisen könnten – und welche im Amerika des 21. Jahrhunderts letztlich von eher untergeordneter Bedeutung sind.
Das Projekt entpuppte sich als eine weitere ebenso absurde wie profunde Erfahrung, als ein, bei aller Künstlichkeit der Konstruktion, lebensveränderndes Experiment. Ein Jahr hatte ich mir dafür Zeit genommen. Als es zu Ende war, rasierte ich mir meine Una-Bomber-mäßig wuchernde Gesichtsbehaarung ab und ging wieder dazu über, Mischgewebe aus Baumwolle und Polyester zu tragen. Doch ich habe auch vieles aus dieser Zeit in mein Alltagsleben übernommen. Beispielsweise versuche ich immer und immer wieder den Sabbat zu ehren, dankbar zu sein und nicht wider meinen Nächsten falsch Zeugnis zu reden, sprich: auf Klatsch und Tratsch zu verzichten. Wobei die Betonung auf »versuchen« liegt, insbesondere, was den Bereich Klatsch und Tratsch betrifft.
Und damit bin ich beim dritten großen Projekt angelangt, der letzten Etappe meines ultimativen Rundum-Erneuerungs-Triathlons: der Komplettrevision meines Körpers.
Zu diesem Abenteuer hat mich, genau wie zu allen anderen Selbstversuchen, im Wesentlichen meine eigene Unwissenheit angespornt. Ich weiß erschütternd wenig über meinen eigenen Körper. Mir ist zwar bekannt, dass der Dünndarm vor dem Dickdarm kommt. Und dass das Herz in etwa so groß ist wie zwei Fäuste und vier Kammern hat. Aber was ist mit dem Zitrat-Zyklus? Oder mit dem Thymus? Wahrscheinlich habe ich darüber etwas in der Encyclopaedia Britannica gelesen – aber die entsprechenden Informationen gehören definitiv nicht zu den zwei Prozent, die mir im Gedächtnis haften geblieben sind.
Noch konkreter ausgedrückt: Ich habe keine Ahnung, was ich zum Wohle meiner Gesundheit essen und trinken sollte. Oder wie ich mich
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