Saugfest
könnte. »Aber Bernie« sagt man zu einem Dreijährigen, der sein Milchglas umgeworfen hat oder der in einer katholischen Kirche in der Nase popelt. Bernie reagiert auch gar nicht darauf. Sein Onkel Hubsi findet das alles super: »So simma halt im Saarland«, keckert er. »Ma männe das doch nitt bees! Gell, so isses bei uns dehämm?«, kichert er und prostet Bernie zu.
Ich kann zum wiederholten Mal überhaupt nicht verstehen, warum sich Annkathrin ausgerechnet für diesen debilen Typen entschieden und warum sie nicht auf ihre Zweifel gehört hat. Sie sitzt mir gegenüber, und ich schaue sie böse an, um ihr so meine Meinung mitzuteilen, aber das nützt nichts, weil ich ja eigentlich immer böse schaue.
Und dann muss ich daran denken, wie froh ich bin, nie geheiratet zu haben. Nicht, dass mich jemals jemand gefragt hätte, ob ich seine Frau werden möchte, das ist es nicht. Aber die Vorstellung, jeden Tag mit einem Mann in einer Wohnung zusammenleben zu müssen, ist für mich das Grauen in Reinkultur. Mit Jonas war es mal ansatzweise so. Er hatte mich im Taxi angesprochen, weil er mich interessant fand. Eigentlich sollte ich ihn in einen Puff
fahren, aber er entschloss sich kurzfristig um und gurkte lieber einen Abend lang mit mir durch die Gegend. Natürlich hab ich das Taxameter laufen lassen, weil mir ja schon die Provision, die ich vom Puff normalerweise bekommen hätte, durch die Lappen gegangen war. Fährt man als Taxifahrer nämlich jemanden in den Puff, kriegt man vom Puffbesitzer Geld dafür, denn man hätte den Fahrgast ja auch in einen anderen Puff fahren können. Jonas fuhr also mit mir durch das nächtliche Hamburg und faselte davon, dass er noch nie eine Frau wie mich kennengelernt habe, was ich ihm auch glaubte. Er erzählte mir von seinem tollen Beruf als Sonderschullehrer, das gäbe ihm total viel. Dann lud er mich zu Burger King ein, weil er die Konkurrenz boykottiere, die beuteten nämlich ihre Mitarbeiter aus, und gegen ein Uhr morgens gestand er mir, dass er sich sehr zu mir hingezogen fühle. Er sagte das tatsächlich so: »Ich fühle mich sehr zu Ihnen hingezogen.« Ich glaube, am liebsten hätte er mir noch die Hand geküsst, was ich natürlich unter gar keinen Umständen zugelassen hätte. Jonas drückte mir eine Visitenkarte in die Hand und bat mich um meine. Da ich aber keine hatte und auch heute noch keine habe, sagte ich, dass ich ihn anrufen würde, was ich natürlich nicht tat. Dafür rief er mich an. Meine Nummer bekam er über die Zentrale raus, ich weiß nicht, wie er das gemacht hat, aber er bekam sie raus. Ab da klingelte mindestens viermal am Abend das Telefon, und Jonas war dran. Irgendwann war ich so genervt von der ständigen Anruferei, dass ich mich mit ihm getroffen habe. Weil ich an dem Abend nichts anderes zu tun hatte, bin ich auch mit ihm ins Bett gegangen, was so na ja war, aber dann beschloss Jonas sofort, bei mir zu bleiben, was absolut und gar nicht geplant war. Ich schlafe nun mal gern alleine in meinem Bett. Ich möchte auch irgendwann mal, wenn ich es vorher nicht schaffe, altersschwach und alleine in meinem Bett sterben.
Fortan wohnte Jonas bei mir, ohne dass ich ihn darum gebeten hätte. Er kochte, er wischte Staub, er baute den Backofen, den ich sowieso nie benutze, auseinander und grundreinigte ihn, und er
putzte Fenster. Und dann kam ich eines Tages nach Hause und stand einem splitterfasernackten Jonas gegenüber, der gerade dabei war, sich eine Servierschürze umzubinden. »Ich wollte es dir schon die ganze Zeit sagen«, wurde mir erklärt. »Ich habe einen Fetisch – das Nacktputzen. Aber ich wollte dich langsam darauf vorbereiten. In meiner Freizeit putze ich sehr gern nackt, nicht nur hier, sondern auch bei anderen Frauen, die müssen mir dabei zuschauen. Nur so finde ich meine absolute Erfüllung.« Ich wollte das nicht nachvollziehen und bat Jonas darum, für immer zu gehen. Später habe ich mal in der Zeitung gelesen, dass ein Jonas K. nackt aus dem Fenster des fünften Stocks einer Altbauwohnung gestürzt ist, während er Fenster putzte. Mein Mitleid hielt sich in Grenzen.
Ja, ja, Jonas, der Nacktputzer, ist nur einer von den Männern, die ich mal hatte und die ich alle miteinander nun nicht mehr habe. Natürlich sind nicht alle aus Fenstern gestürzt, aber alle hatten irgendwelche Macken, die ich nicht dulden konnte und wollte. Annkathrin meint immer, ich sei zu wählerisch, aber wenn ich mir ihren zukünftigen Gatten so anschaue, finde ich es
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