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Saugfest

Saugfest

Titel: Saugfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi Wolff
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meinen Einzelteilen auf dem Boden liege.
    Aber ich denke gar nicht daran. »Woher haben Sie überhaupt meine Nummer?«, frage ich böse. Das will Frau Wiedekopf mir allerdings nicht verraten, also muss ich davon ausgehen, dass es sich bei
Bauer und Sohn
um eine Firma handelt, die heimtückisch Adressen kauft, um dann ahnungslosen Mitbürgern mit Hilfe der Rufnummernunterdrückung den Abend zu verderben. Während Frau Wiedekopf mich weiter mit Fragen löchert, die ich ihr nicht beantworte, laufe ich in die Küche und nehme aus dem rechten Schrank einen Teller, den ich auf den Boden fallen lasse. Ich brauche jetzt einfach Scherben, über die ich mich ärgern kann. Und ich motze Frau Wiedekopf an, die irgendwann nur noch vor sich hinstammelt. Irgendwann sagt sie traurig: »Warum sind Sie denn so unfreundlich zu mir? Ich bin noch nicht so lange hier, wissen
Sie, ich studiere nämlich, und meine Eltern können mich nicht unterstützen. Ich mache doch nur meinen Job.«
    »Ach Gottchen.« Jetzt drückt sie auch noch auf die Tränendrüse. Hut ab. Hier haben schon mehrere Marktforschungsunternehmen angerufen, aber so geflennt hat noch keiner. Frau Wiedekopf klingt auch ehrlich gesagt gar nicht wie eine Frau, die dort arbeitet, sie klingt eher wie eine Nichtschwimmerin, die mitten im Atlantischen Ozean merkt, dass ein Schnorchel kein Schwimmflügel ist. Panisch und ein wenig orientierungslos. Will mich da vielleicht irgendjemand verarschen?
    »Bestimmt hatten Sie auch eine total schwere Kindheit, sind in der Schule gehänselt worden, stimmt’s?« Ich warte die Antwort gar nicht ab, weil mich Frau Wiedekopf so dermaßen nervt. »Und beim Abschlussball wollte keiner mit Ihnen tanzen, weil sie so ein Mauerblümchen waren, richtig? Dabei wollten Sie doch nur glücklich sein und … «
    Ich höre Frau Wiedekopf leise schluchzen, werde aber einen Teufel tun, mich jetzt weichklopfen zu lassen und wie ein Rind eine Skala von eins bis zehn runterzubeten, nur damit sie auf ihre Quote kommt. Ist es mein Problem, dass sie nebenbei jobben muss? Eher nicht. Außerdem glaube ich nach wie vor, dass die Alte gar nicht bei einem Marktforschungsunternehmen arbeitet, sondern mir da sonst wer einen witzigen Telefonstreich spielt.
    »Warum sind Sie so gemein?«, fragt Frau Wiedekopf.
    »Gegenfrage: Warum rede ich überhaupt noch mit Ihnen?«
    »Glauben Sie nicht, es würde Ihnen vielleicht besser gehen, wenn Sie ein bisschen freundlicher wären? Jeder sollte doch seine Mitmenschen so behandeln, wie er selbst behandelt werden möchte.«
    »Mir ist es scheißegal, wie ich behandelt werde, das dürfen Sie mir jetzt einfach mal glauben. Und wie es Ihnen geht, ist mir ebenfalls scheißegal. Auch ob Sie Ihr blödes Studium schaffen oder nicht. Ich hab auch nicht studiert.«
    »Aber das ist doch nicht meine Schuld.«
    »Das habe ich auch nicht behauptet. Und jetzt lege ich auf.«
    »Nein!«, ruft Frau Wiedekopf verzweifelt, so als ob ich ihre allerletzte Rettung wäre. »Bitte nicht. Dann habe ich bestimmt gar kein Glück mehr.«
    Das ist das erste Mal, dass mir jemand, wenn auch durch die Blume, sagt, dass ich so was wie Glück für ihn bedeute.
    »Belästigen Sie andere Idioten mit Ihrem Scheiß«, sage ich abschließend, aber sie gibt noch nicht auf und stellt mir blöde Fragen zu meinem Frischwurstkonsum. Ob ich Hirnwurst eklig fände. Aber wirklich auszukennen in der Lebensmittelbranche scheint sie sich auch nicht. Sonst wüsste sie, dass Hirnwurst schon lange nicht mehr aus Hirn, sondern aus relativ magerem Schweine- und Kalbfleischbrät besteht. Und sie heißt auch nicht mehr Hirnwurst, sondern Gelbwurst. Selbst früher bestand sie nicht komplett aus Hirn, sondern nur zu 25 Prozent. So. Wen interessiert’s? Ich weiß so was, weil ich nachts oft nicht schlafen kann. Und da laufen im Fernsehen diese ganzen Dokumentationen. Es ist also nicht so, dass ich mich für Gelbwurst interessiere. Gelbwurst ist mir total egal. Ich interessiere mich für eigentlich gar nichts. Die Scherben werde ich auch nicht wegfegen. Immerhin könnte es sein, dass ich heute Nacht Durst bekomme, barfuß in die Küche gehe und mir schlaftrunken einen oder beide Füße an den Scherben aufschneide, was wiederum zur Folge haben könnte, dass ich verblute. Aber bei meinem Glück werde ich natürlich genau in die scherbenlosen Zwischenräume treten.
    »Bitte … «, fleht Frau Wiedekopf und sagt dann noch irgendwas, das ich aber nicht mehr höre, weil ich einfach und ohne mich zu

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