Saugfest
verabschieden auflege. Danach geht es mir besser.
Ja, gut erkannt: Ich bin ein schlechtgelaunter, missmutiger Mensch von 29 Jahren. Wenn ich es auf den Punkt bringen soll: Ich finde das Leben beschissen. Am liebsten wäre ich tot. Nicht, dass ich von Todessehnsucht geplagt bin, aber ich kann dem Leben als solches einfach nichts abgewinnen. Früher, ganz früher, war das, glaube ich, mal anders. Als ich mit meiner Freundin Annkathrin im Sandkasten
gespielt habe. Wobei ich da auch immer schon nie gelacht habe. Lieber habe ich den anderen die Plastikschaufeln über den Kopf gehauen oder ihnen Sand in die Augen gedrückt. Wenn sie mich zu sehr genervt haben. Lediglich mit Annkathrin habe ich mich gut verstanden und nie gezofft. Vielleicht lag es daran, weil sie so ganz anders war als ich, und das Wichtigste: Sie hat mich so akzeptiert, wie ich eben nun mal bin. Das mit meiner schlechten Laune wurde mit den Jahren immer schlimmer. Ich habe einfach an nichts Freude. An Männern übrigens auch nicht, und das soll jetzt nicht heißen, dass ich auf Frauen stehe. Sieben Beziehungen habe ich hinter mich gebracht, die kurzen mitgerechnet. Und sieben Mal bin ich so was von aufs Maul gefallen, dass es gar nicht in Worte zu fassen ist. Details möchte ich nicht nennen, nur so viel: Männer sind für mich keine Männer mehr, sondern Abschaum. Widerlicher Mist. Von Mann zu Mann wurde meine miese Laune noch schlechter. Mittlerweile kann sie gar nicht mehr schlechter werden.
Leider sieht Annkathrin das mit den Männern anders. Sie wird nämlich heiraten. Und zwar übermorgen. Seit zwei Jahren ist sie jetzt mit Bernd zusammen, den sie Bernie nennt, was ich fast schon anmaßend finde. Der Mann ist sechsunddreißig, war mal Kampfschwimmer bei der Bundeswehr und hat Schultern, die so breit sind wie das Brandenburger Tor.
Bernie
. Bernie heißt für mich ein schmächtiger, ungelenker Hornbrillenträger mit Sprachproblemen, der im Archiv der Stadtverwaltung verstaubte Akten von Spinnweben befreit, oder ein schwuler Imker. Aber doch kein
Kampfschwimmer
. Gut, er ist ja nicht mehr Kampfschwimmer, sondern jetzt Mitinhaber einer Baufirma, aber dazu passt Bernie ja auch nicht (»Bernie, pass auf, der Rohbau kracht gleich zusammen!« »Bernie, hast du Zement nachbestellt? Wir müssen das Fundament gießen, bevor der erste Frost kommt.«). Wie Bernie das mit der Teilhaberschaft in der Firma gemacht hat, wird immer ein Rätsel für mich bleiben, denn Bernie ist dumm wie ein Übertopf. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass Bernie die Buchhaltung
versteht und weiß, was Soll und Haben bedeutet. Aber er hat ja Angestellte, die das für ihn richten, das hat Annkathrin mir mal erzählt. Bernie kann nur mit seinen Händen arbeiten, aber nicht mit seinem Kopf. Außerdem macht Bernie mich total aggressiv. Er kommt nämlich aus Saarbrücken und hat nie auch nur einen einzigen Versuch unternommen, sich diesen grauenhaften Dialekt abzugewöhnen. Es ist einfach fürchterlich: »Isch hann heid noch e Termin, un’s kinnd schbäder genn.« Oder: »Jetzt hammer lang genuch geschwätzt, jetzt gehts ans Esse, sunscht wird de Salad kalt.« Und Annkathrin macht, egal was Bernie für einen Stuss von sich gibt, grundsätzlich ganz verliebt: »Hihihi.« O GOTT !
Aber das Allerschlimmste: Ich bin auch noch Annkathrins
Trauzeugin
. Die beiden heiraten ganz pompös auf einer Burg im Hessischen, und das auch noch drei Tage lang. Daran, dass ich dann drei Tage lang keine Einnahmen habe, hat natürlich keiner gedacht.
»Ich finde das total romantisch, auf einer Burg zu heiraten«, hat Annkathrin nun schon ungefähr fünfhundertmal gesagt, ohne dass ich sie jemals darum gebeten hätte. »Außerdem müssen wir das tun, wegen Bernies Opa.« Bernies Opa mütterlicherseits kam 1952 aus der Gefangenschaft in Russland und hat Hessen seitdem nicht ein Mal mehr verlassen. Er hat seit nunmehr 58 Jahren Angst davor, dass der Russe wieder unangemeldet einmarschieren könnte. Und wenn das passiert, wird er, Walter, das nicht mehr einfach so hinnehmen, sondern etwas tun. Was er tun wird, das verrät er allerdings nicht. Es soll wohl eine Überraschung werden. Also kann ich übermorgen nach Hofgeismar gurken und dort die Sababurg suchen, wo angeblich schon Dornröschen gewohnt und sich überarbeitet mit der Nadel in den Finger gestochen hat, um dann ziemlich lange zu schlafen, bis irgendein dämlicher Prinz sie nach hundert Jahren geküsst hat und sie aufgewacht ist, wobei
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