Sautanz (German Edition)
harschen Entgegnung und schloss ihn wieder, ohne einen Ton von sich gegeben zu haben. Einen Moment kreuzten sich ihre Blicke. Verhakten sich. Hielten einander fest. Bis Dorli sich abwendete. Ihr Herz hatte einen Moment lang ausgesetzt, als Lupo sie so intensiv angesehen hatte. Mist, das fehlte noch, dass sie sich in den Kerl verschaute. Ablenken, ausweichen, negieren, Dorli.
»Was hältst du von dem Bericht der Pathologin?«, fragte sie mit etwas unsicherer Stimme.
»Auf jeden Fall wissen wir jetzt, dass er weder einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall noch eine andere Krankheit hatte. Und dass man fast hundertprozentig sagen kann, dass es ein Mord war und kein Unfall – das haben wir ja selbst auch vermutet. Im Kontext mit den Aussagen seines Freundes Beat Eberli tendiere ich stark zur Variante ›Todesfall durch Fremdeinwirkung‹.« Lupos Stimme klang etwas heiser.
»Frau Dr. Rusch hat ja dazu auch eine eindeutige Gewichtung abgegeben. Unfall vielleicht zehn Prozent, Mord etwa neunzig Prozent. Denn wer fällt schon ungefähr zehnmal hintereinander in dieselbe Metallspitze?«
Sie schwiegen beide, in ihre Gedanken versunken. Lupo brach das Schweigen.
»Wir müssen mit Beat und der Witwe reden. Sie sollen die Polizei einschalten.«
9
Beat Eberli, Anja Smekal und ihr Sohn Lukas saßen steif im Wohnzimmer der Smekals, um sich den Bericht über das Ergebnis der Obduktion anzuhören. Ihnen gegenüber hatten sich Dorli und Lupo niedergelassen.
Lupo ergriff das Wort. »Erich Smekal ist verblutet und ertrunken. Simultan sozusagen. Grund für den massiven Blutverlust war eine Wunde im Bauchbereich. Sie stammte mit großer Wahrscheinlichkeit von einem Holzpfahl mit Metallspitze, möglicherweise einem Bootshaken, wovon ein Teil abgebrochen war.«
Anja Smekal war bei Lupos Bericht immer mehr in sich zusammengesunken. Ihre Gesichtsfarbe glich dem Kalkweiß der Wand. Beat schüttelte den Kopf und murmelte Unverständliches. Lukas, ein lang aufgeschossener, aber kräftiger Junge von ungefähr achtzehn Jahren, in ausgefransten Jeans und mit zerknautschtem T-Shirt, saß bleich und steif wie eine Statue neben seiner Mutter. Bei dem Wort »Bootshaken« zuckte er zusammen.
»Wie kommt sie auf einen Holzpfahl mit Metallspitze?«, fragte Anja Smekal heiser.
»Durch die Analyse kleinster Rückstände in der Wunde«, antwortete Lupo.
»Und? Isch’s jetzt ein Unfall gsii?«, fragte Beat.
Dorli antwortete: »Das lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Aber die Wahrscheinlichkeit dafür ist laut Frau Dr. Rusch minimal, denn bei einem Unfall müsste Ihr Freund mehrere Male in diese Spitze gefallen sein. Immerhin war die Wunde so groß, dass Gedärme aus dem Bauchraum ausgetreten sind. Der Verdacht liegt nahe, dass der Tod durch Fremdeinwirkung eingetreten ist.«
»Oh mein Gott!«, presste Anja Smekal hervor, wurde noch blasser, als sie ohnehin schon war, und verbarg ihr Gesicht hinter einem Taschentuch.
»Han ich’s doch denkt«, murmelte Beat. »Das isch Mord gsii.«
Düsteres Schweigen lastete auf dem Raum. Lupo unterbrach es.
»Frau Smekal, Sie sollten die Polizei informieren. Aufgrund des Gutachtens der Pathologin müsste die den Fall wieder aufnehmen.«
»Wird mein Mann davon wieder lebendig?« Anja Smekals Augen glühten.
»Nein. Aber vielleicht wird dadurch der Mörder gefasst.«
»Ich will nicht, dass die Polizei in jedes Eck schaut. Was werden denn da die Nachbarn denken? Es reicht, wenn Sie überall Ihre Nasen reinstecken.«
Die Frau hat Sorgen! Dorli krampfte es innerlich zusammen. Ihr Mann ist ermordet worden, und sie kümmert es nur, was die Nachbarn denken, wenn die Polizei kommt. Als ob das nicht scheißegal wäre! Leider gab es viel zu viele, die dachten wie Anja Smekal. Was in der Familie passierte, war piepegal, selbst wenn Männer ihre Frauen und Kinder halb totprügelten. Hauptsache, nach außen hin sah alles nach heiler Welt aus.
Beat Eberli beugte sich zur Witwe und nahm ihre Hände. »Anja, das meinst doch nöd ernscht! Wenn de Erich ermordet worden isch, denn muess es dich doch auch interessieren, dass der Mörder wegg’sperrt wird!«
Anja Smekal schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Polizei. Die zwei«, sie bedachte Dorli und Lupo mit einem giftigen Blick, »die können von mir aus weitermachen. Noch zwei Wochen. Dann ist Schluss. Mein Sohn und ich müssen wieder zu einem normalen Leben zurückkehren können.«
Beat und Lupo tauschten einen Blick. Lupo wandte sich an Frau
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