Sautanz (German Edition)
quollen heraus.
Lupo konzentrierte sich auf die älteren Schülerinnen. Eine Clique mit vier jungen Damen steuerte geradewegs auf ihn zu.
»Kennt eine von Ihnen Natascha Bergmann?«
»Wer will das wissen?«, fragte eine selbstbewusst zurück.
Lupo gab sich als Detektiv zu erkennen und erzählte, dass er eine Aussage von Natascha als Zeugin bräuchte. Eines der Mädchen, eine kleine Rothaarige mit Sommersprossen und Stupsnase, erklärte sich bereit, Natascha zu holen. Sie lief noch einmal in die Schule. Kurz darauf kam sie wieder, allein.
»Natascha will mit niemandem reden«, erklärte sie Lupo.
»Gut. Würden Sie ihr dann bitte ausrichten, dass ich in einem Mordfall ermittle. Und wenn sie nicht aussagen will, dann muss ich ihr wohl die Polizei schicken. Das wäre vielleicht noch unangenehmer.« Das war zwar eine glatte Lüge, aber vielleicht wirkte sie.
Die kleine Rothaarige zog eine Schnute. »Jetzt soll ich noch mal da rein? Dann ist ja fast die ganze Mittagspause um!«
Lupo zog eine Zwanzig-Euro-Banknote aus der Jackentasche.
»Dafür dürfen Sie sich dann auf meine Kosten ein nettes Mittagessen gönnen. Leider habe ich keine Schweizer Franken dabei.«
Mit flinken Fingern zupfte die Kleine den Geldschein aus Lupos Hand. »Macht nix. Weil Sie es sind.« Sie lächelte ihn kokett an und verschwand wieder im Internat.
Kurze Zeit später trat sie mit einer auffallend hübschen jungen Frau vor das Tor. Sie zeigte zu Lupo und verschwand dann mit ihren Freundinnen Richtung Ortschaft.
»Sie wollten mich sprechen?«
»Danke, Frau Bergmann, dass Sie gekommen sind.«
Sie nickte. »Natascha reicht.«
Sie war fast so groß wie Lupo, ziemlich blass, und aus der Nähe sah er, dass sie Ringe unter den Augen hatte.
»Mein Vater hat mir verboten, mit irgendjemandem Kontakt aufzunehmen. Wenn er das erfährt, komme ich wahrscheinlich in Einzelhaft.«
»So schlimm ist es da?«
Sie nickte. »Schlimmer! Es schaut nicht nur aus wie ein Gefängnis, es ist auch so etwas in der Art. Was wollen Sie denn von mir?«
»Gehen wir ein Stück? Ist vielleicht besser, wenn uns niemand gemeinsam hier stehen sieht.«
Lupo brachte Natascha zu einem Café. Natascha bestellte nur eine Cola light, Lupo einen Cappuccino. Sie zog die Mütze vom Kopf und schüttelte ihr dichtes blondes Haar aus. Es reichte über den halben Rücken.
»Und jetzt sagen Sie endlich, was Sie auf dem Herzen haben.«
Nataschas Stimme war leise, doch sie blickte ihn an, als würde sie ihn zum Teufel wünschen.
»Ich nehme an, Sie wissen, dass Erich Smekal tot ist?«
»Wie bitte? Nein!« Nataschas Stimme kippte, und sie schwankte. Lupo befürchtete kurz, dass sie vom Stuhl fallen würde. Aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen.
»Wie kann das sein, dass Sie nichts von seinem Tod erfahren haben?«
»Erich habe ich nicht erreicht. Und wen sonst hätte ich anrufen sollen?«
»Und bei Lukas haben Sie es nicht probiert?«
»Nein. Wir sind nicht gerade als die besten Freunde geschieden.«
»Nun ja. Erich Smekal ist tot, und es besteht der Verdacht, dass er ermordet wurde.«
»Und was hat das mit mir zu tun?« Natascha hatte sich schnell gefasst. Sie war nur noch blasser geworden.
Lupo begab sich auf dünnes Eis. »Da wir wissen, dass Sie ein Kind von ihm erwarteten und ihn in seinen letzten Lebenstagen öfter gesehen haben als alle anderen Personen, die ihn kannten, möchte ich alles von Ihnen hören, was Sie wissen.«
Das war ein Schuss ins Blaue, denn eigentlich wussten sie ja nur, dass Natascha schwanger gewesen war. Und nicht einmal sicher, von wem.
»Oh Gott«, murmelte Natascha und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. »Ich habe Erich geliebt. Und jetzt ist er tot.«
Also doch! Lupo war mit sich sehr zufrieden. »Lassen Sie sich Zeit. Aber erzählen Sie mir alles, was Sie mir sagen können.«
27
»Wir haben uns geliebt«, flüsterte Natascha unter Tränen, »und wir wollten heiraten.«
Sie holte ein Taschentuch aus ihrer Jacke und putzte sich geräuschvoll die Nase. Dann wischte sie sich die Tränen von den Wangen. Lupo verzichtete auf den Hinweis, dass Erich Smekal sich wohl erst hätte scheiden lassen müssen, bevor er wieder ans Heiraten hätte denken können.
»Am Sonntag, dem 15. September, waren wir auf dem Boot. Da habe ich Erich gesagt, dass ich schwanger bin. Er hat sich riesig gefreut und versprochen, mit seiner Frau zu reden, dass er die Scheidung will. Die Ehe bestand ja schon lange nur mehr auf dem Papier. Am Montag haben wir
Weitere Kostenlose Bücher