Sautanz (German Edition)
uns nicht gesehen, da habe ich meine Eltern darauf vorbereitet, dass sie Großeltern werden.«
Lupo konnte sich vorstellen, dass ihr Vater nicht sonderlich begeistert von dieser Aussicht gewesen war. Aber er beschloss, Natascha erst erzählen zu lassen und seine Fragen hinterher zu stellen.
»Am Dienstag haben wir uns gegen Mittag getroffen. Erich hat mir ein paar Kleider gekauft und einen Ring. Wir waren so glücklich, so unbeschwert.«
Nun flossen die Tränen wieder reichlich.
Von einem Ring hatten sie bisher nichts gewusst. Entweder hatte Smekal den nicht im Outletcenter gekauft oder bar bezahlt, oder die Kreditkartenabrechnung war noch nicht angekommen, als er mit Dorli bei der Witwe die Belege gesichtet hatte.
»Und wie ging es weiter?«
»Die Nacht haben wir in der Hütte am See verbracht. Wir haben von der gemeinsamen Zukunft geträumt. Und ich habe Erich gesagt, dass ihn mein Vater am nächsten Tag gegen vierzehn Uhr zu einer Aussprache erwartet.«
Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte Natascha die Tränen aus ihren Augen. Wütend setzte sie nach: »Aber ich durfte natürlich nicht dabei sein.«
»Wusste Ihr Vater, wer kommen würde?«
»Wie meinen Sie das?« Natascha blickte ihn verwirrt an.
»Na ja, könnte sein, dass er dachte, dass Lukas der Vater ist?«
Natascha schüttelte den Kopf. »Mein Gott, nein. Aber … Ich bin nicht sicher. Ich glaube, ich hab gesagt, ich bin schwanger und mein Freund kommt.«
»Egal. Und dann?«, fragte Lupo.
»Am Abend hat mich mein Vater von seinen Gorillas ins Auto packen und nach Wien in eine Abtreibungsklinik fahren lassen. Der leitende Arzt dort ist ein Studienkollege von ihm. Was ich will, hat überhaupt nicht gezählt. Am nächsten Tag war das Baby Geschichte, und ich wurde direkt hierher in diese Strafanstalt verfrachtet.«
»Haben Sie Erich nach der Nacht auf Mittwoch noch einmal gesehen oder von ihm gehört?«
»Nein. Mein Vater hat mein Handy konfisziert, alle Kleider, die Erich mir gekauft hat, weggeworfen und mir für hier nur ein ganz mickriges Taschengeld zugebilligt.«
»Und hier haben Sie keine Gelegenheit gefunden, Erich anzurufen?« Lupo blickte Natascha zweifelnd an.
»Doch. Vom Handy einer Mitschülerin. Aber ich habe ihn einfach nicht erreicht.«
Kein Wunder. Tote telefonierten nicht.
»Glauben Sie, dass Ihr Vater Erich ermordet hat?«
Das Mädchen schüttelte den Kopf, während wieder Tränen in seinen Augen blitzten.
»Kaum. Und wenn, dann hätte er das nicht selbst gemacht.«
Sondern seine Schläger , ergänzte Lupo in Gedanken. Denen man vermutlich nichts nachweisen konnte.
»Was hat eigentlich Lukas dazu gesagt, dass Sie von seinem Vater ein Kind erwarten?«
»Lukas wusste nur, dass ich schwanger bin. Nicht, von wem. Er war eingeschnappt, dass ich nicht schon früher etwas gesagt habe. Ich glaub, er wollte mir eigentlich deswegen eine runterhauen, so wütend war er. Doch seine Mutter kam dazu. Da hat er sich’s anders überlegt, und ich habe die Gelegenheit benutzt, um zu verschwinden.«
»Waren Sie denn jemals in ihn verliebt?«
»Nein. Aber ich wollte auch keine andere Beziehung eingehen. Die Jungs aus meiner Schule waren mir einfach zu blöd. Und wenn ich offiziell mit Lukas ging, dann war Ruhe. Lukas hat wenigstens respektiert, dass wir nur Freunde waren.«
»Und bei der Gelegenheit haben Sie seinen Vater kennengelernt.«
»Nein, auch wenn das komisch klingt. Wir haben uns schon gesehen. Aber da wirkte er meist geistig abwesend. Wir sind uns bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung in Eichbüchl nähergekommen. Da hat es dafür sofort auf beiden Seiten gefunkt.«
Für Erich Smekal eine tödliche Liebe. Lupo war mittlerweile ziemlich sicher, dass die Familie Bergmann in den Mord verwickelt war. Aber wie sollte man das jemals beweisen? Irgendwie hatte er das Gefühl, er hätte sich diese Reise ersparen können. Er hatte nichts erfahren, was er nicht ohnehin schon gewusst oder vermutet hatte.
»Können Sie mir noch den Namen der Klinik nennen, wo die Abtreibung durchgeführt wurde?«
Natascha nickte und fischte einen Zettel aus der Tasche. Darauf schrieb sie Namen und Anschrift.
»Werden Sie mich auf dem Laufenden halten, wer Erich umgebracht hat?«, fragte sie ihn.
»Wie, wenn Sie nicht einmal telefonieren dürfen?«
»Ich gebe Ihnen die Telefonnummer meiner Freundin Anne Gebert.«
Sie schrieb eine Zahlenkolonne unter die Anschrift der Klinik. Mit einem Blick auf ihre Armbanduhr sprang sie erschrocken
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